Institutionen und Illusionen
Öffentliches Schreiben von Alexeij Sagerer, proT,
an Frank Baumbauer, Münchner Kammerspiele
21. September 2005
....alles begann damit, dass die Kammerspiele
Alexeij Sagerer fragten,
ob er
sich vorstellen könnte,
bei dem Projekt "Glaubenskriege" mitzumachen....
Genosse Baumbauer.
Sehr geehrter Herr Intendant!
Sie Gipfel einer Selbst-Vision von Theaterhierarchie.
Heute scheint mir ein günstiger Termin zu sein, mich mit Ihren Zeilen vom 25. April 2005 zu befassen, und ich will damit hinten beginnen, bei Ihrem P.S. und dem Abspann Ihres Blattes:
"P.S.: Und noch etwas: Ich bin immer skeptisch, wenn Briefe "öffentlich behandelt" werden, über Abschriften
und Verteiler etc. Das zeigt letztlich, dass man mehr an Öffentlichkeitsarbeit denn an direkter
Auseinandersetzung interessiert ist.
DAS THEATER DER STADT"
Die Kammerspiele sind weder DAS THEATER DER STADT noch DIE LETZTE ÖFFENTLICHKEIT oder DIE LETZTE ÖLUNG -
weder überhaupt noch für den Bereich Theater. Natürlich ist diese Sache zwischen den Kammerspielen und
dem proT eine öffentliche Angelegenheit. Und wie weit es die Öffentlichkeit interessiert, wird diese
entscheiden. Die Kammerspiele sind dabei nicht in der Position, die Grenzen zu ziehen. Weder in der
Frage 'was darf öffentlich werden?' noch in der Frage 'wie öffentlich darf es denn sein?'. Dies mögen
Sie in Ihrem Institut so regeln können, aber nicht hier.
Die Kammerspiele scheinen aber auch zu glauben, das Mass der Dinge in anderen Fragen zu sein, wie der
Abspann Ihres Blattes vermuten lässt. Nein, die Institution beantwortet nicht die Frage, wer oder was
DAS THEATER ist, und auch nicht, wer DIE STADT ist. Die Kammerspiele sind eben nicht
DAS THEATER DER STADT, sondern das Stadttheater, eigentlich lediglich eines der städtischen Theater
und eher das Theater der Stadtverwaltung als DAS THEATER DER STADT. Und ebenso wenig, wie die
Stadtverwaltung glauben sollte, sie wäre die Stadt, sollte die Institution Stadttheater glauben,
sie wäre das Theater.
Ähnliche Ansprüche kennt man von anderen Institutionen. So wähnt sich der Heilige Stuhl in Rom von
Gott erwählt und im Besitz des Wahren Glaubens, und versucht seine Probleme in internen Öffentlichkeiten
zu klären. Auch die USA lieben die Illusion, der wahre Staat zu sein, gewählt vom richtigen Volk,
während alle anderen Staaten wenigstens überprüfbar bleiben oder um Anerkennung ringen müssen.
Das macht geradezu Institutionen aus, ob Staat, Heiliger Stuhl oder Stadttheater, dieses Gefühl der
Erwähltheit, gefolgt von einem Gefühl der Macht und zurückbezahlt durch Kontrolle. Daraus erwächst
ein im Prinzip endloser Strauss von Illusionen.
Ihre Zeilen sind eine beliebige Auswahl dieser Illusionen. Und so folgt auf die Illusionen, das
erwählte Theater zu sein und das Primat auf Öffentlichkeit zu haben, die Illusion der wahnsinnigen
Wichtigkeit: Offensichtlich leben die Kammerspiele, DAS THEATER DER STADT, mit dem Generalverdacht,
dass sich alle Welt an ihrer masslosen Bedeutung hochziehen will. Darauf folgt die rührende
Selbstunterstellung, die Kammerspiele hätten ohne meine Post mehr an einer direkten Auseinandersetzung
interessiert sein können. Die Institution lebt gerne auch in der Illusion, für alles offen zu sein.
Sie werden nicht angenommen haben, dass Ihre Zeilen vom 25. April 2005 mich von irgend etwas, was
immer es auch sein mag, überzeugt haben. Schon gar nicht davon, dass die Institution Stadttheater
sowieso richtig liegt, wenn es darum geht, wie sie zum Theater kommt. Es tut doch nichts zur Sache,
dass Sie vermuten, dass die Angelegenheit für mich kein Problem darstellt. Und wenn Sie denken,
dass ich damit selbstbewusst umgehen kann, dann liegen Sie richtig. Und deswegen ist es einfach
zu wenig, mir zu schreiben, dass es für Sie in Ordnung ist, wie die Kammerspiele mit so etwas umgehen.
Dies zeugt lediglich von einem ziemlich fahrlässigen Selbstbewusstsein Ihrerseits.
Ich bin mir nicht sicher, ob Sie wirklich nicht wissen, was da nicht in Ordnung ist und ab wann und wie
dieses Nicht-in-Ordnung-Sein beginnt, oder ob Sie nur eine lästige Nebensächlichkeit vom Tisch wischen
wollten, um das Haus sauber zu halten. Aber Sie können mir doch nicht allen Ernstes die arme, leidende
Institution vorspielen, die von meinem grossen und grundsätzlichen Misstrauen verfolgt wird.
Ich habe weder ein grosses noch ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Instituten wie den Kammerspielen.
Diese Institute produzieren Institution und in gewisser Weise ist dies auch richtig so. Aber richtig
ist auch, dass die Institution kein Ziel meiner Theaterarbeit ist.
Da aber eine selbstbewusste Institution Kontakt zu einem Ausserhalb sucht und braucht - meistens um es
zur Institution zu verführen, manchmal aber auch, um vielleicht selbst ein wenig Nicht-Institution
zu werden - ist es möglich, temporär mit einer Institution zusammenzuarbeiten. Eigentlich weniger mit
der Institution selbst, als mit einigen ihrer Mitarbeiter, die dies wollen und dazu in der Lage sind.
Es gibt natürlich Beispiele einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen proT und Institutionen aus dem
Theater- oder Kunstbereich. Ich werde dazu hier keine Liste aufstellen. Und es gibt Kontakte, aus
denen keine Zusammenarbeit entstanden ist. Entscheidend ist, dass nie etwas gemacht wurde, das nicht
beide Seiten wollten und sich vorstellen konnten.
Natürlich dürfen sich Situationen verändern. Das ist doch nicht das Problem.
Aber Sie können nicht auf mich zugehen und dann prüfen, ob Sie auf mich zugehen wollen. Um im nächsten
Schritt so zu tun, als hätte ich mich bei Ihnen beworben und Sie müssten in monatelangen
Entscheidungsprozessen hinter verschlossenen Türen klären, wie Sie damit verfahren wollen.
Was ist das für eine Vorstellung von dem Theater, das ausserhalb der Institutionen wird. Und ich
spreche dabei nicht für das Theater, das darauf wartet, in die Institution geholt zu werden und das
seinen Wert über die Institution reflektiert. Ich spreche von einem Theater, das eine Ebene besiedelt,
die eigentlich vor dem Theater liegt. Während die Institution versucht, auf einer Theaterebene ihren
Apparat aufzubauen, Werte herausgrenzt und dabei die unendliche Liste ihrer Illusionen wachsen lässt.
Die folgenschwerste dieser Illusionen ist, dass die Institution glaubt, der wahre Wert des Theaters wäre
ihr immanent und das Ausserhalb würde von ihr zu diesem Wert zugelassen, wenn es soweit ist. Daher
glaubt die Institution, sie wüsste schon, wie man mit diesem Ausserhalb umzugehen hat.
Was passiert, wenn die Institution dabei auf ein Ausserhalb trifft, dessen Horizont nicht der
Werte-Kanon der Institution ist, der am Ende zum 'Theater des Jahres' führt? Ein Ausserhalb, das immer
unzeitgemäss ist, während die Institution immer auf der Höhe der Zeit ist.
Dann repräsentiert die Institution Glaubenskriege, ohne zu begreifen, dass sie selbst einen
Glaubenskrieg führt. Dann gaukelt die Institution dem Hasenbergl eine Hierarchie-Verschiebung vor,
während sie eine Staatstheater-Hierarchie praktiziert, die um sich herum nur Theater-Hasenbergl kennt.
Dann verwandelt sie die mögliche Verrücktheit des Hasenbergls in die Biederkeit von "Bunnyhill" und
schreibt dafür eine unsägliche Nationalhymne. Die Institution betreibt Problem-Casting, anstatt zu
versuchen, etwas Hasenbergl, also Nicht-Institution zu werden.
Ähnlich fatal ist es, wenn ein Staat wie die USA glaubt, er wäre nicht auf dem unendlichen Feld der
Menschenrechte errichtet, sondern die Menschenrechte wären ihm immanent. Oder wenn dies der Heilige
Stuhl in Rom vom Wahren Glauben annimmt.
Nicht der Begriff des Theaters ist den Institutionen immanent, sondern die Institution ist dem
unendlichen Fluss des Theaters immanent und darin mag sie sich explizieren, wenn sie glaubt, dass
sie es braucht.
Grüss Gott
Alexeij Sagerer, proT
P.S.: In Ihren Zeilen an mich findet sich der Satz "Oft ist der Papierkorb
abgelegter Wünsche reicher gefüllt als das tatsächlich Realisierte." Ich nehme jetzt einfach zu
Ihren Gunsten an, dass Sie dabei in den falschen Zettelkasten gegriffen haben.
Dieser Text ist mit den folgenden Anlagen öffentlich zugänglich:
1) Brief von Alexeij Sagerer vom 18. April 2005 an die Kammerspiele
2) Antwortschreiben von Frank Baumbauer vom 25. April 2005
Brief von Alexeij Sagerer vom 18. April 2005 an die Kammerspiele
18. April 2005
Betreff: Rückgabe schwacher Worte zu den Glaubenskriegen
Meine Damen und Herren Kammerspiele,
im Besonderen die Damen und Herren Dramaturgie!
Die schönen Tage der Glaubenskriege sind nun vorüber. So entfällt jeglicher Verdacht, ich, wir, das proT, die Raumschiffe, "Tarzan trifft Gott" möchten am Ende doch noch dabei sein, bei den "Glaubenskriegen" der Kammerspiele. Auch irgendeine Form von Entschädigung interessiert mich nicht, (woher sollte sie auch kommen).
Da ich aber weder vor noch nach den "Glaubenskriegen" das Verlangen in mir verspürte, mit der Institution Kammerspiele zusammenzuarbeiten, und mich niemals darum beworben, nicht einmal darum bemüht hatte, bleibt die Frage offen:
Wie komme ich am 4. Januar 2005 zu einer e-mail, in der mir die Chefdramaturgin, Frau Barbara Mundel, mitteilt: "keine Tarzan-Episode zu produzieren"?
Ich gebe den Kammerspielen hiermit ihre schwachen Worte vom Herbst letzten Jahres zurück. Wenn ich den ganzen Ablauf bis zum Januar 2005 betrachte, finde ich eine Überheblichkeit, mit der hier die Institution Kammerspiele glaubt, mit Nicht-Institutionen umgehen zu können, die durch nichts gerechtfertigt ist - ausser mit einer vermeintlich unangreifbaren Machtposition, geschaffen durch Subventionen.
Wer glaubt, so vorgehen zu können, soll damit auch was zu tun bekommen.
Alles begann am 15. September 2004.
Marion Tiedtke ist in der Vorstellung von "Monster-Idyllen. OR 4.2" in der Reaktorhalle und
spricht danach Alexeij Sagerer an. Marion Tiedtke könnte sich möglicherweise Raumschiffe für
ein Projekt der Kammerspiele vorstellen. Sie will ihn deshalb in den nächsten Tagen anrufen.
Das Telefonat mit Marion Tiedtke einige Tage später.
Marion Tiedtke teilt Alexeij Sagerer mit, dass es sich bei dem Projekt der Kammerspiele um
"Glaubenskriege" handelt, Durchführung Anfang März 2005. Ob er sich vorstellen könnte, dafür
einen theatralen Ablauf herzustellen.
Alexeij Sagerer teilt Marion Tiedtke mit, dass er an
dem Theaterprojekt "Operation Raumschiff, birth of nature" arbeitet. Eine Beteiligung an
"Glaubenskriege" macht für ihn nur Sinn, wenn er dabei das Projekt "Operation Raumschiff"
weiterführen kann. Bei dem Telefonat werden noch folgende Informationen ausgetauscht: Die
nächsten Flüge von "Operation Raumschiff" sind für Anfang Januar in der Muffathalle geplant.
Die möglichen Titel hierfür sind "Tarzans Tod" und "Tarzan trifft Gott". Die Raumfrage ist für
"Operation Raumschiff" kein wirkliches Problem, da sowohl riesengrosse als auch kleine
Raumschiffe gestartet werden können. Lediglich eine Internetverbindung für live-streams
nach aussen und nach innen muss möglich sein.
Am Ende des Gesprächs kommt man überein,
dass Alexeij Sagerer über eine Beteiligung nachdenken will und Marion Tiedke sich mit Barbara
Mundel, der Chefdramaturgin der Kammerspiele bespricht. Alexeij Sagerer schickt Marion Tiedtke
ausführliches Material u.a. über das proT (Kurzbiografie, Pressespiegel) und über das Projekt
"Operation Raumschiff" (Grundkonzept, Texte, Presse, Bild/Ton-CD). Ausserdem ist die Adresse
der proT-homepage bekannt.
Das Treffen in der Kantine der Kammerspiele Anfang Nov. 2004
mit: Marion Tiedtke, Barbara Mundel, Alexeij Sagerer
Die Situation ist folgende: Alexeij Sagerer weiss seit über 30 Jahren, dass die Kammerspiele
das städtische Theater in München sind. Das proT produziert hier in München seit über 30 Jahren
deutlich wahrnehmbar Theater. Alle wissen voneinander, möchte man meinen. Die Situation einer
Zusammenarbeit soll jetzt konkretisiert werden. Dieses Gespräch läuft vor allem zwischen
Barbara Mundel und Alexeij Sagerer ab. Barabara Mundel spricht über das Projekt der
Kammerspiele und konkretisiert eine mögliche Beteiligung des proT. An den beiden
Veranstaltungstagen finden in den Kammerspielen verschiedene theatrale Ereignisse zum Thema
"Glaubenskriege" statt. Im Gespräch entwickelt sich folgende Vorstellung für eine Beteiligung
des proT: Zwei verschiedene theatrale Abläufe der "Raumschiffe" am 4./5. März, jeweils
28 oder 49 Minuten lang. Alexeij Sagerer schildert die Arbeit an den "Raumschiffen". Jeder
Flug ist ein Original, die nächste Flüge sollen "Tarzans Tod" oder "Tarzan trifft Gott"
sein. Barbara Mundel reserviert den Titel/Flug "Tarzan trifft Gott" für die "Glaubenskriege".
Die Situation für eine Zusammenarbeit scheint gegeben zu sein. Alexeij Sagerer kann sich
vorstellen mitzumachen, wenn wenigsten eine, besser zwei relevante Personen des Stadttheaters
inhaltlich hinter der Zusammenarbeit stehen.
Für das weitere Vorgehen wurde bei dem
Treffen besprochen, dass mit der Technik der Kammerspiele ein Termin für eine Raumbesichtigung
vereinbart wird, und wegen der Konditionen eines schriftlichen Vertrages würde sich Frau
Schneider bei Alexeij Sagerer melden.
Das Treffen im Neuen Haus eine Woche nach dem Kantinentreffen
mit: Alexeij Sagerer, Karsten Matterne(?), Marion Tiedtke
Der bei dem Treffen mit Barbara Mundel anvisierte Raum im Neuen Haus wird besichtigt.
Im Raum befinden sich noch die Aufbauten für das Bunnyhill-Projekt. Mit dem Raum sieht
Alexeij Sagerer keine Schwierigkeiten, da sich grundsätzlich jeder Raum in ein Raumschiff
verwandeln lässt. Auch die ganzen Kammerspiele sind als theatrales Raumschiff denkbar. Die
einzige technische Bedingung, die Internetverbindung, ist kein Problem. Auch ein
Videobeamer wäre für das Projekt vorhanden. Wie erwartet, gibt es keine technischen
Schwierigkeiten. Es geht bei dem Treffen vor allem darum, dass Alexeij Sagerer den Raum
kennenlernt, in dem das Projekt stattfinden soll.
Wir befinden uns bereits auf dem
positiven Gipfel der Zusammenarbeit proT - Kammerspiele, was damals allerdings von uns
noch niemand wusste. Das Team der Raumschiffe wird informiert. Die Musiker beginnen ihre
Termine umzubauen. Der Titel und damit das Ziel "Tarzan trifft Gott" wird für Anfang März
in den Kammerspielen reserviert. Als Titel und Ziel für die Flüge in der Muffathalle Anfang
Januar wird "Geklonter Tod" ausgegeben.
proT produziert "Geklonter Tod" für die
Muffathalle und erwartet einen Anruf von Frau Schneider. Ende November ruft Alexeij Sagerer
Marion Tiedtke an. Sie ist erstaunt, dass sich Frau Schneider noch nicht gemeldet hat.
Das Telefonat mit Frau Schneider Anfang Dezember
Anfang Dezember. Frau Schneider meldet sich. Auf dem Anrufbeantworter. Alexeij Sagerer
ruft sie zurück. Frau Schneider frägt Alexeij Sagerer nach seinen Vorstellungen. Alexeij
Sagerer erklärt ihr, dass er vertragstechnisch offen ist. Er kann sich eine feste Summe
als Koproduktionsanteil vorstellen oder auch einen Gastspielvertrag. Dass die Kammerspiele
die tatsächliche Produktion der "Operation Raumschiff" mit "Tarzan trifft Gott" nicht
finanzieren können, ist ihm klar. Der Produktionsprozess kann nur vom proT, unabhängig
von einem Partner, getragen werden, sowohl finanziell als auch in seinem künstlerischen
Prozess. Insofern ist es ein Glücksfall, wenn sich hier zwei Interessenslinien schneiden.
Alexeij Sagerer will nicht Körper Kammerspiele werden.
Frau Schneider sagt, dass nur ein Gastspiel in Frage käme. Sie spricht von Geld, sagt aber
nichts. Alexeij Sagerer hat den Eindruck, dass es nicht um den Inhalt geht, sondern um
irgendetwas anderes. Sie sagt aber nicht, was es ist. Sie frägt Alexeij Sagerer, was das
kosten soll.
Alexeij Sagerer erklärt, dass er die finanziellen Vorgaben der
Kammerspiele für die "Glaubenskriege" nicht kenne. Sie solle ihm die Bedingungen der
Kammerspiele nennen.
Aber Frau Schneider sagt nichts. Warum sagt sie nichts? Will
sie um das Geld pokern? Denkt sie über Kunst nach? Ist sie eine Vordenkerin, die die
Institution rein halten will? Von was? Ist sie eine Realitäts-Zuzlerin? Frau Schneider
kneift irgend etwas zusammen, um nichts rauszulassen. Über das Telefon kann Alexeij
Sagerer nicht feststellen, was es ist.
Alexeij Sagerer erklärt, dass er sich ja
nicht bei den Kammerspielen bewirbt. Falls aber die Kammerspiele die Produktion "Tarzan
trifft Gott" spürbar entlasten wollen, wäre eine Summe von 5.000,- Euro vorstellbar.
Frau Schneider will das Finanzielle noch besprechen und von sich hören lassen.
Sie wurde nie wieder gehört.
Alexeij Sagerer produziert "Geklonter Tod" für die Muffathalle.
Anruf Uticha Marmon am 17. Dezember
Dann eine Woche vor Weihnachten: Auf Anrufbeantworter die Information, Alexeij Sagerer möchte
die Dramaturgie zurückrufen. Frau Uticha Marmon. Alexeij Sagerer ruft die Nummer an. Frau
Uticha Marmon meldet sich und klingt wie eine Schülerin, die irgendetwas nicht verstanden hat.
Sie spricht aber für die Dramaturgie, die irgendetwas nicht verstanden hat. Wer ist hier die
Dramaturgie? In den Gesprächen mit Barbara Mundel, angeblich die Chefdramaturgin, und mit
der Dramaturgin Marion Tiedtke war bisher keine Rede davon, dass man nicht verstanden hätte,
worüber man sprach. Alexeij Sagerer hat sich ja nicht bei den Kammerspielen beworben in der
Hoffnung, dass er dort verstanden würde. Die Kammerspiele sind auf Alexeij Sagerer zugekommen,
doch sicher nicht, weil sie nicht verstanden haben, was er macht.
Uticha Marmon wird
präziser. Auf der CD mit der Video-Aufzeichnung des Raumschiffes "Monster-Idyllen", die die
Dramaturgie von proT bekommen hat, sieht man keinen Musiker. Marion Tiedtke hat aber erzählt,
dass bei "Monster-Idyllen" ein Musiker live auftritt. Und nun könne man sich nicht vorstellen,
wie das ist, mit dem Musiker, der da live auftritt.
Alexeij Sagerer kann das Problem
nicht so recht erkennen. Vor allem, nachdem ja die Dramaturgin der Kammerspiele Marion Tiedtke
den Musiker selbst gesehen hat und berichten konnte, wie das war. Alexeij Sagerer erklärt
Uticha Marmon mit einfachen Worten, dass das Projekt "Operation Raumschiff" sowieso nur
Originale herstellt und dass der Film, den sie auf der CD gesehen hat, auch keine
Dokumentation ist, sondern im theatralen Projekt entsteht, und dass dies mit zum Konzept von
"Operation Raumschiff" gehört. Ausserdem läge das ganze Material seit Monaten sowieso schon
bei den Kammerspielen.
Daraufhin klingt Uticha Marmon sehr enttäuscht, kann sich aber
immer noch keinen Musiker live vorstellen und glaubt, dass man nie Musiker auf den Filmen von
"Operation Raumschiff" zu sehen bekommt. Alexeij Sagerer ist gerührt und sagt, dass er ihr
den Film eines früheren Raumschiffes schicken wird, auf dem man sogar drei Musiker sehen kann.
Und das hat Alexeij Sagerer dann auch gemacht.
Dann längeres Schweigen.
Was haben die Kammerspiele zwischen den Gesprächen mit Frau Schneider und mit Frau Uticha Marmon
gemacht? Im Verborgenen gebrütet? Ihre eigene Position gegenüber Alexeij Sagerer gemobbt?
Kontrollverluste geahnt?
Alexeij Sagerer arbeitet weiter an "Geklonter Tod".
Inzwischen ist Weihnachten, und dann ist Neujahr. Und in zwei Monaten sind die "Glaubenskriege"
mit dem nach wie vor reservierten Raumschiff-Titel "Tarzan trifft Gott"?
Es geht doch nicht darum, dass sich nichts verändern könnte. Es geht um die Verkniffenheit
und gleichzeitig Rücksichtslosigkeit, mit der die Institution glaubt, mit freien Künstlern
umgehen zu können. Niemals würde sie sich dies gegenüber anderen Institutionen erlauben
(schon wegen deren Rechtsabteilungen). Man bringt die Sachen nicht auf den Tisch, und man
ist zu feige, eine offene Auseinandersetzung stattfinden zu lassen.
Die e-mail von Barbara Mundel vom 4. Januar 2005
"Lieber Alexeij Sagerer, zuerst muß ich mich entschuldigen, mich nicht schon längst bei Ihnen gemeldet zu haben. Wir haben schweren Herzens die Entscheidung getroffen, keine Tarzan-Episode im Neuen Haus zu produzieren Die Gründe sind vielfältig - sicher waren wir uns in der Dramaturgie nicht einig, ob Tarzan in das Konzept der Brandherde paßt oder besser noch, das Profil dieser Veranstaltung schärft oder nicht. Aber der Hauptgrund für meine Absage ist darin zu suchen , daß wir versuchen wollen, uns auf das Schauspielhaus und Werkraum zu konzentrieren und das Neue Haus gar nicht zu bespielen. Das ist der heutige Stand und ich bedauere vor allen Dingen den späten Zeitpunkt dieser Entscheidung sehr, aber der Prozeß für eine solche Veranstaltung ist erfahrungsgemäß ein komplizierter und auch noch nicht abgeschlossen. Vielleicht ein andere Mal? Herzliche Grüße Barbara Mundel"
Die Antwort-e-mail von Alexeij Sagerer vom 4. Januar 2005
"Liebe Barbara Mundel, so schlicht sehe ich die Angelegenheit nicht. Aber bevor mir jetzt der Ärger zu
hoch steigt, vergesse ich Ihre e-mail bis zum 17. Januar und komme dann darauf zurück.
Grüss Gott,
Alexeij Sagerer, proT"
Am 14. / 15. Januar finden die beiden Flüge von "Geklonter Tod" (OR 6.2) in der Muffathalle statt.
Niemand von der Dramaturgie der Kammerspiele fliegt mit, nicht einmal Uticha Marmon, obwohl sie jetzt
den Musiker live hätte sehen können.
Grüss Gott,
Alexeij Sagerer, proT
Abschriften dieses Briefes gehen an:
Christiane Schneider, künstlerische Referentin
Barbara Mundel, Chefdramaturgin
Marion Tiedtke, Dramaturgie
Uticha Marmon, Dramaturgieassistenz
Der Brief wird von proT zur Information öffentlich behandelt.
Alexeij Sagerer ist wegen Flugvorbereitungen für "Tarzan trifft Gott" erst ab dem 11. Mai 2005 wieder zu erreichen.