Johannisplatz, München, 23. Mai 1981, 11 Uhr.
Ein weisses Paar legt ein 600 Meter langes und 60 cm breites Band um den Johannisplatz,
zum Schutz des Johannisplatzes (vor allem) gegen Tiefgaragen, Bäumefällen, Pflasterungen, Hauptverkehrswege ... . Das weisse Band - Vorwurf auf den Tieger von Äschnapur Unendlich ist eine
proT-Produktion von Alexeij Sagerer mit Agathe Taffertshofer, Thomas Tielsch und den Bewohnern
von Haidhausen.
Live-Musik: Erster öffentlicher Auftritt von Hans-Jürgen Buchner (später Haindling) und
Ulrike Böglmüller in München.
Das weisse Band ist die unbearbeitete TheaterDoku der proT-Produktion Das weisse Band -
Vorwurf auf den Tieger von Äschnapur Unendlich von Alexeij Sagerer
am 23. Mai 1981, Johannisplatz, München. Die Dokumentation ist in schwarz-weiss mit
einer freien Handkamera gedreht.
Live-Ton: Hans-Jürgen Buchner und Ulrike Böglmüller.
Mit Agathe Taffertshofer und Thomas Tielsch. Kamera: Fips Fischer.
Patrik Stäbler, Süddeutsche Zeitung, 29. Juni 2022
Einst Protest, heute ein Fest
Das weisse Band, 23. Mai 1981
proT am Johannisplatz, München
"(...) eine denkwürdige Protestaktion, konzipiert vom Künstler Alexeij Sagerer.
Er ließ ein Brautpaar den Johannisplatz umrunden, das dabei ein 600 Meter langes
weißes Band um das Areal spannte. "Das jungfräuliche Weiß sollte davor warnen,
dass der Platz seine Unschuld verliert", sagt Alfred Bergmiller. Das Fest zog mehr
als 1000 Menschen an, für die Musik sorgte ein gewisser Hans-Jürgen Buchner, der
später als Haindling Karriere machen sollte (...)"
Das weisse Band:
Die Aktion. Am Samstag, den 23. Mai um 11 Uhr wird ein weiss gewandetes Paar ein mindestens
60 cm breites und 600 m langes (noch nie gebrauchtes) Band wie einen Brautschleier um den Johannisplatz legen -
bis der Anfang des Bandes mit seinem Ende verbunden wird, praktisch also der Kreis sich schliesst.
Worauf in diesem Augenblick alle Beteiligten als Preis das weisse Band des Johannisplatzes
sofort gekriegt haben.
Wegen der Bäume, um die das Band gelegt wird, wird der Kreis etwa so rund sein, wie ein Boxring.
Die Mithilfe der Teilnehmer am Johannisplatzfest wird unbedingt nötig sein, da das Band lang ist und möglicherweise
Spannungen auftreten. Das bedeutet, dass wenn auf jedem Meter einer steht, schon auf alle Fälle 600 Leute da sein sollten.
Wenn sich aber auf jedem Meter zwei gegenüberstehen, werden gar 1200 Leute gebraucht, sodass man sich, wenn zum Beispiel
3600 Leute zu dem Johannisplatzfest kommen, rechtzeitig einen guten Meter sichern muss, um mit dem Band verbunden zu bleiben.
Kommen Sie alle, alle tausend Mann & viele viele Frauen. (A.S., 1981)
1979 - 1984 Der Tieger von Äschnapur Unendlich: Einmalige Vorwürfe!
Lust auf proT
Präsentation proTshortcuts auf Youtube
proT-shortcuts sind intensive Film-Ausschnitte von oder mit proT:
Theaterdokumentationen, live-film, Unmittelbarer Film ... oder
kurze proT-Filme wie Film-Comics, Vorfilme, Werbefilme ...
Samstag/Sonntag, 03./04. August 2024
Der freie Radikale des Theaters Alexeij Sagerer, Münchens eigenwilligster und widerborstigster Theatermacher
wird 80. Eine kleine Verneigung.
München - Plattling. Dort wurde Alexeij Sagerer am 4. August 1944 geboren. Herkunft prägt.
Zwei Beispiele aus Jahrzehnten: Knapp 50 Jahre nach seiner Geburt erfand Sagerer zwei theatrale
Solovorgänge, "Didawischifeischono" (dich erwische ich schon noch) und den "Tanz in die Lederhose".
Zwei infernalische Darbietungen, die zusammenbrächen, stockten sie nur für einen Moment. Der erste
ist das Wort allein, kehlig, kräftig, strudelig, bedrohlich, aber auch zart. Wiederholung, Wandlung,
bis zur Erschöpfung. Der zweite ist das, was der Titel sagt. Sagerer zieht Hose und Hemd aus, Zoro
Babel trommelt einen Walzer, Sagerer hüpft und tanzt, die Lederhose in den Händen. Die Bewegung
darf nicht abreißen, aber es ist nicht leicht, dabei in die Lederhose zu kommen. Die furchterregende
Energie findet ihren Trost in der Abnutzung des Körpers. Sagerer, schließlich in Lederhose, sinkt
in einen gepolsterten Stuhl. Bier.
Sagerers eigenes Postulat der Unabhängigkeit kostete ihn die Förderung
Zu diesem Zeitpunkt war Alexeij Sagerer schon eine Theaterlegende in München. 1968 hatte er seinen
ersten Auftritt in München, 1969 gründete er das proT, der Keller in der Isabellastraße 40 wurde
zu einem heiligen Ort für unkorrumpierbare, wilde Kunst. Von dort aus eroberte Sagerer die Stadt,
spielte im Tierpark Hellabrunn, verlassenen Industrieanlagen, in der Muffathalle. Dort fand eine
seiner schönsten Arbeiten statt, "Das OR-05", 28. Januar 2006. Die Halle war leer, vollkommen. Und
auch vollkommen dunkel. Und vollkommen mit weißem Streusalz ausgestreut, aber das sah man erst
einmal nicht. Von 18.28 Uhr an wurde sie heller. Sehr langsam. Um 21.44 Uhr war sie gleißend hell.
Und sehr warm. Das Salz strahlt Wärme ab. Ein reiner Vorgang, ein Bild, ein Gleichnis, vor allem
aber eine Erfahrung blanker Sinnlichkeit. Keine Erklärung notwendig.
Nie ließ er sich vereinnahmen. Als 2005 die Kammerspiele anfragten, beschied der denen,
"Institute produzieren Institution, und in gewisser Weise ist das auch richtig so. Aber richtig ist
auch, dass die Institution kein Ziel meiner Theaterarbeit ist." Lieber baute er Projekte über Jahre
zusammen, den "Tieger von Äschnapur" oder das "Nibelungen & Deutschland Projekt", politisches Theater
sicherlich, aber nicht als mögliche Anweisung zum Handeln. Das Publikum muss die Bedeutung des
Gesehenen oder Erlebten schon selbst bestimmen, da hilft ihm keiner; es soll die Stücke sehen und
nicht auf Erklärungen warten, denn dieses Warten behindert die Wahrnehmung. Sagerer erfand das
"unmittelbare Theater". Und unmittelbar heißt, es verfolgt keinen anderen Zweck, als zu passieren.
Es ist wie bei einer Berührung, die keine Absicht hat. Und deshalb fantastisch sein kann.
Nicht pädagogisch, nicht didaktisch, aber eben fantastisch.
Und natürlich voller Spleens. Zahlen zum Beispiel sind immer wichtig, verschrobene Zahlenverhältnisse,
die den Ablauf, der schon mal ein paar Stunden dauern kann, strukturieren. Oder, während einer
Aufführung im Ampere der Muffathalle, eine Live-Schaltung in Oppe’s Bistro im oberpfälzischen Floß
zu sechs Trinkern, die etwas von ihrem Treiben verstehen, aus ihrer heiligen Andacht erwachen, die
Jukebox entdecken und "Guardian Angel" singen.
Sagerers eigenes Postulat der Unabhängigkeit kostete ihn die Förderung, obwohl er eigentlich ein
Denkmal vor dem Kulturreferat verdient hätte, bei aller Widersprüchlichkeit seiner Person und seines
Handelns. Immer postulierte er das Außen – schon mit dem Begriff freie Szene kann Sagerer nichts
anfangen. Er ist das freie Radikal. Und jetzt ist er 80. Kein Alter für einen aus Plattling.
EGBERT THOLL
Die 11.000 Euro Kanne
BLAU
Am 28. Juni 2024 verkauft das proT für 11.000 Euro die signierte Alexeij Sagerer Kanne BLAU.
Und die Blaue 11.000 Euro Kanne vertritt die Organisationshoheit des proT und spricht!
Alles sind Konsistenzebenen und Kompositionen und dabei arbeitet die Lebendigkeit mit der Einmaligkeit
und jede dieser einmaligen Konsistenzebenen entsteht in einem Prozess durch Prozessionstheater
und jetzt erscheint das Theater des Aussen und es kommt ungefragt und unberechenbar und nur so entsteht es,
das Unmittelbare Theater.
Die 11.000 Euro Kanne in BLAU ist Unmittelbares Theater.
Sie propagiert nicht das
Andere, sondern sie ist das Andere.
Die Alexeij Sagerer Kanne BLAU steht für die Präsenz des proT und für die Entwicklung der
proT-homepage als eigenständiges Projekt.
Möglicherweise stellt sie das proT-Archiv vor.
Und spielt mit der Vorstellung von
"Das Unmittelbare Theaterblut aus der Penisvene" als proT-Produktion.
Die 7000 Euro Kanne
ROT
Am 7. Mai 2023 verkauft das proT für exakt 7000 Euro die erste Alexeij Sagerer Kanne.
Die Kanne ist ROT und signiert mit AS 2023.
Der Beginn:
Die 7000 Euro Kanne steht voll hinter proT und der Arbeit von Alexeij Sagerer.
Pfingsten 2023, die Kanne beginnt zu sprechen und wird auch gehört.
Die 7000 Euro Kanne ROT Fortsetzung 1
Vor etwa einem Jahr - im Mai 2022 - es ist die Zeit um die Eröffnung der Ausstellung
"Die Lust am anderen Theater" (freie darstellende Künste in München) des Deutschen Theatermuseums,
leitende Kuratorin: Birgit Pargner, wird offensichtlich versucht, von angelernten Theatermachern
und Kulturverwaltern durch "üble Nachrede" Unsicherheit über die Arbeit des proT und Alexeij Sagerer zu
streuen. Dabei fallen Namen wie Ute Gröbel, Benno Heisel oder Michael Ott als Autoren.
Personen, die offensichtlich ihre Rolle als relevante Kunstkritiker und Theatererkenner masslos überschätzen.
Dazu versichert die 7000 Euro Kanne allen Interessierten hier verbindlich:
Niemand, der die Arbeit von Alexeij Sagerer (oder irgendjemand anderem) schätzt, muss sich vorher bei
Gröbel, Heisel oder Ott die Berechtigung oder den Segen dazu einholen.
Hierzu präsentiert die Kanne auch einen kurzen Ausschnitt aus unserer Präsentation
der Ausstellung im Deutschen Theatermuseum vom 04.05.-31.07.2022:
proT und "Die Lust am anderen Theater"
ein Raum für das proT von Alexeij Sagerer seit 1969
Der VierVideoTurm mit den Synchronisatoren
Die Kanne im Original und als Verkündigungskanne in der Projektion
Die proT-Stühle als Objekt und Sitzgelegenheit
Unmittelbarer Film, Kino-Film und Theaterdokumentationen
"rod plau krün" Bildmaterial, Plakate und mehr
Die Ausstellung wird begleitet von der 256-seitigen Publikation Die Lust am anderen Theater
Herausgegeben von Dr. Birgit Pargner, Henschel Verlag 2022
Mit drei Texten zur Arbeit von Alexeij Sagerer und das proT:
Helmut Schödel
Das Es-ist-was-es-ist-Theater des Alexeij Sagerer
Egbert Tholl
Alles gehört zusammen. Alexeij Sagerer und sein Theater der Unmittelbarkeit
Birgit Pargner
Alexeij Sagerer - immer wieder ein Erlebnis
Die 7000 Euro Kanne ROT Fortsetzung 2
"Also, ich frag mich ja schon, wie der Sagerer das wohl macht, dass in seinem Stück
"Liebe mich! Wiederhole mich!" drei Frauen nackt auf der Bühne sind."
Aufgeschnappt, München, 04. Mai 2022
Obwohl inzwischen, vor allem bei angelernten Theatermachern, wachsende Unsicherheit über die
Erscheinung von Nacktheit herrscht, präsentiert "Die 7000 Euro Kanne - ROT" die proT-Produktion
"Liebe mich! Wiederhole mich!" mit dem Unmittelbaren Film
"Liebe mich! Wiederhole mich!"
und einem Textausschnitt in Blau von Birgit Pargner zu "Liebe mich! Wiederhole mich!" aus der
Publikation des Deutschen Theatermuseums
"Die Lust am anderen Theater - Freie darstellende Künste in München"
auf der proT-jetzt!:
Der Unmittelbare Film Liebe mich! Wiederhole mich! entsteht mit dem Film- und Theaterprojekt Liebe mich! Wiederhole mich! am
24. Februar 2016 im proT auf "Die Säulenhalle", München.
Mann: Johannes Oppenauer. Frau in Weiss mit Schleier: Judith Gorgass.
Frau in Weiss und Rot: Stephanie Felber. Frau in Weiss Kameraperformance: Anja Uhlig.
Live-Bildschnitt: Christoph Wirsing.
Kamera: Ludger Lamers, Anja Uhlig, Alexeij Sagerer. Film-/Raumton-Regie: Philipp Kolb.
Ein Film von Alexeij Sagerer.
Und worum geht es bei Liebe mich! Wiederhole mich!.
Um die Nacktheit. Um das Sterben als fortschreitende Nacktheit und um die Nacktheit als Berührung.
Wobei die Nacktheit des Mannes ihn von innen nach aussen berührt.
Die Nacktheit und die Berührung als Komposition. Und der Mann berührt sich von innen während er stirbt.
Und der Mann wird nackt von innen während er stirbt. Das Sterben berührt den
Körper von innen und zwar überall. Es ist eine dauernde Bewegung. Milieuwechsel!
Und der Mann weiss, dass er stirbt und dabei von innen heraus nackt wird und
gleichzeitig Teil einer theatralen Komposition ist.
Und er weiss um die nackten Körper der Frauen, die sich berühren und dadurch auch Teil dieser theatralen
Komposition sind. Und der gestorbene Körper ist der nackteste Körper in dieser Komposition.
Und gegenüber die drei Frauen. Ihre Nacktheit berührt sie von aussen. Und es sind drei verschiedene Berührungen.
Drei verschiedene Nacktheiten. Und ihre Nacktheiten stellen mit der Nacktheit des Mannes die theatrale
Komposition her. Und es sind drei verschiedene Nacktheiten der Frauen. Die in den Raum gestellte Nacktheit
der stehenden Frau. Die Nacktheit der Frau, die sich selbst berührt und nur bei sich selbst bleibt,
während sie öffentlich ist. Und die betrachtende Nacktheit der Frau mit der Kamera, die nackt ist
und gleichzeitig die Nacktheit sieht und ebenfalls öffentlich ist und gleichzeitig die theatrale
Komposition herstellt. Und es geht um die Unvergleichlichkeit der Nacktheit.
Birgit Pargner
Alexeij Sagerer - immer wieder ein Erlebnis
in: Publikation des Deutschen Theatermuseums "Die Lust am anderen Theater - Freie darstellende Künste in München",
Henschel 2022, 256 Seiten. S. 44-50.
(...)
Körperlichkeit und Bewegung als künstlerische Ausdrucksmittel sind wichtige Elemente in Sagerers
Theater- und Kunstauffassung. Mit dem Element der extremen körperlichen Verzögerung tritt ein Mittel
zur Steigerung der Intensität und zur Sichtbarmachung von sich vollziehenden Vorgängen oder Zuständen
hinzu. Auch in Programm Weiss, das sich über die Jahre 2005 bis 2016 erstreckt, besonders aber
im dazugehörigen letzten Teil Liebe mich! Wiederhole mich! schafft Sagerer mit dem, was er
herstellt, viele Intensitäten und Bewusstseinsebenen gleichzeitig.
Uraufgeführt in der Säulenhalle an der Arnulfstraße geht es darin um die Sichtbarmachung der simultan
stattfindenden Prozesse des Lebens und Sterbens. Das bestimmende Element aller Bewegungen auf der Bühne,
die einer ständigen Wiederholung untergeordnet sind, ist die extreme Langsamkeit aller körperlichen
Bewegungen, die in Zeitlupentempo ablaufen. Die stumme Performance findet auf jenem stegartigen roten
Podest statt, wie es uns schon aus dem Nibelungen & Deutschland Projekt bekannt ist. Am hinteren
Ende des Steges befindet sich ein großer Raum aus Glas. Es ist jener Raum, in welchem drei junge Frauen
agieren: Eine von ihnen betritt zu Beginn zielstrebig diesen Raum, zieht sich nackt aus und ergreift
eine Kamera, um damit bis zum Ende der Aufführung die beiden anderen Frauen zu filmen. Die Braut mit
Schleier und ihre Brautjungfer - selbst im weißen Kleid - beginnen die Aufführung mit ihrem extrem
langsamen und barfüßigen Entlangschreiten auf dem roten Steg außerhalb des Glaskastens an den etwas
unterhalb sitzenden Zuschauern vorbei, die Braut voran - sie trug übrigens das Brautkleid von Sagerers Mutter -,
hinter ihr die ebenfalls weißgekleidete Brautjungfer, die ihr den Schleier trägt. Nach wenigen Schritten
beginnt die Brautjungfer dicht am Körper der Braut langsam und spielerisch deren Kleid bis über Scham
und Po zu schieben. So bleiben sie dann kurz vorm Publikum stehen, um in diesem Bild zu verharren. Dann
gehen sie im gleichen langsamen Tempo in umgekehrter Reihenfolge zurück zum Glasraum, diesmal wird der
Körper der Brautjungfer von der eng hinter ihr schreitenden Braut auf dieselbe Weise entblößt. Über
allem liegt die sakrale Feierlichkeit eines Gottesdienstes.
(...)
Alle intimen Momente und Bewegungen der Frauen, die die Kamerafrau in Nahaufnahmen von der Braut
einfängt, sind unterhalb des Bühnensteges auf zahllosen Bildschirmen für die Zuschauer sichtbar:
etwa ihr nackter Fuß auf dem roten Boden, der unter dem Brautkleid hervorlugt; ihr allmähliches
Sich-Ausziehen, ihre dunklen Haarsträhnen auf der weißen Spitze ihres Kleides und auf ihrer
nackten Haut, schließlich das Räkeln ihres nackten Körpers auf dem roten Boden, ihre Finger, die
langsam und in lustvoller Selbstversunkenheit bis zur Scham vorgleiten.
Die Braut als das personifizierte Lebens- und Lustprinzip einerseits und der Sterbende auf der
Filmleinwand andererseits bilden die beiden konträren Pole in dieser Aufführung. Die künstlich
und künstlerisch hergestellte Gleichzeitigkeit der Vorgänge konnte Sagerer durch die Möglichkeiten
des Filmschnitts in seinem Unmittelbaren Film besonders fühlbar machen, indem er das Geschehen
auf der Bühne und auf der Leinwand in einer harten Aufeinanderfolge kontrastierender Einblendungen
zeigte. Sah man gerade noch eine malerische Nahaufnahme der Nackten im Glaskasten, wird plötzlich
das erstarrte Gesicht des Toten eingeblendet, das die Kamera aus unterschiedlichen Perspektiven
zeigte, worauf wiederum eine Einblendung des Rituals der Nackten im roten Slip zu sehen ist.
Dieses Mittel zeitlicher Überlagerung und Verdichtung sorgt für eine besonders intensive Dynamik,
unterstützt von den Wirkungselementen Licht, Farbe, Körperlichkeit und Musik - wie aus weiter
Ferne hört man bei Einblendungen des Sterbenden immer wieder Ausschnitte aus der Ouvertüre
von Tristan und Isolde und ein mexikanisches Volkslied von der Wirkung eines Klageliedes.
Liebe mich! Wiederhole mich! ist eine Arbeit ohne Worte. Es soll keine persönliche Geschichte
erzählt werden. Liebe mich! Wiederhole mich! will im ungestörten Besitz der Intensität und
Kraft seiner Körperlichkeit bleiben.
Die 7000 Euro Kanne, frägt sich, ob durch "die Nähe", das Zusammenwirken der Kulturbehörde der Stadt
mit der städtischen Spielstätte "Theater HochX" und dem Verein "Netzwerk Freie Szene e.V.",
gefördert von der Landeshauptstadt München, nicht eine Art Blockwartsituation entstanden ist, in der
(wem auch immer) "unliebsame" Künstler gemeldet werden können.
Dabei geht es zum Beispiel um Aussagen, die die künstlerische Arbeit von Alexeij Sagerer "indiskutabel"
finden, da "ein gewisser Sexismus in seinem Schaffen ganz klar erkennbar ist".
Aufgeschnappt, München, Januar 2023
Darauf antwortet die 7000 Euro Kanne mit der Frage: "Erfüllt bereits "Rote Wärmflasche tanzt"
den Tatbestand von Sexismus?"
Rote Wärmflasche tanzt ist der Prolog zur Theaterproduktion: "Der Tieger von Äschnapur Drei
oder Ich bin imbrünstig mein Alexeij Sagerer". Premiere am 14. Juli 1979, proT, München, Isabellastr. 40.
(Kamera: Fips Fischer)
Thomas Thieringer
Tieger von Äschnapur, drei
Alexeij Sagerer im proT
in: Süddeutsche Zeitung, 16. Juli 1979, Feuilleton
Alexeij Sagerer spielt mit seinem proT (Prozessionstheater) verrückt, phantastisch, radikal monomanisch.
Da treibt einer Theaterbilder aus sich heraus, chaotisch perfektionierte, frech verhöhnende, schön komische,
sucht Worte dazu, aber unter dem Druck der kunstvollen Anstrengung mißraten sie zu einem erschütternden
Gestammel: über Theater, das durch Subventionen konsumierbar gemacht wird, ist kaum mehr etwas Treffendes
zu sagen. Sagerer rennt mit einem von Mal zu Mal grimmiger werdenden Mut in seine Stückanfänge -- über die
er nicht hinauskommt, nicht hinauskommen will, denn sonst geriete er in dramatische Zwänge, unter denen sich
alles so leicht erklären läßt: Er zerreißt seine Zuschauer gerne -- wie in seinem neuesten "Tieger von
Äschnapur"-Programm -- in diesem Möcht'-gern-was-nach-Hause-tragen-Bemühen; rechts zeigt er dem wie für
eine Beschwörung sich gegenübersitzenden Publikum den brennenden "göttlichen Osterhasen"(aus Achternbusch),
sich selbst dann als fanatisch durch den Wald rasenden Sandbahnfahrer, und links wirft er die alle
Interpretation ad absurdum führenden Kommentare an die Wand, während der Alleindarsteller Sagerer im
Wilderer-/Jägerkostüm fasziniert den Gang des Sekundenzeigers verfolgt: Sagerer, der "permanente"
Tiegerjäger, der die bei Erfolg versprochene Prinzessin weiter denn je aus den Augen verloren hat. Oder ist
dieser entsetzensvolle Kreuzigungsgang -- Sagerer macht ja Prozessionstheater -- wo man ihm das "Just married"
ins Rückgrat gehauen hat, auch anders zu deuten (?!) --, daß er nämlich seine Prinzessin
-- unglücklicherweise -- gewonnen hat.
Seit Anfang 1977, seit seiner ersten "Tieger von Äschnapur"-Prozession ("Ich bin die letzte Prinzessin
aus Niederbayern") rennt er seinem Jagdglück und dieser seiner Theater-Dulcinea nach, durch dick und dünn
-- will sagen, volkstheaterkomisch und multimedial überspannt: Heute, bei seinem vierten "Tieger"-Lauf
(der nullte wird mitgezählt) ist Sagerer grimmiger, radikaler und präziser in seiner Auseinandersetzung
mit dem Theater als je zuvor. Den absurden Volkstheaterzauber -- den sein "Ensemble" so wunderbar
augenrollend-dumpf beherrschte -- hat er sich mehr und mehr verkniffen und seine Theatergruppe hat er
bis auf sich selbst abgebaut -- "Ich bin imbrünstig mein Alexeij Sagerer" nennt er ja deshalb diese
Prozessionstheater-Folge -- wohl auch, um auf die, der Kunst gewiß nicht dienlichen
Organisations-Subventions-Methode des neuen Stadtrats aufmerksam zu machen.
Sagerer verweigert sich dieser durch Aufwand zähmenden Vereinnahmung: Das freie Münchner Theater
(die unabhängigen Bühnen) seien nicht entstanden, um nun mit angeblich das Überleben in Unabhängigkeit
garantierenden Subventionen in Unfreiheit (die Gunst von Gönnern) zu geraten. Er ist auch nicht bereit,
als Theaterlückenbüßer gegängelt zu werden und wehrt sich nun mit einem anarchistisch verspielten Mut zur
selbständigen Theaterkunst. Theaterlücken, die durch ein fehlendes Volkstheater bestehen, sollen auf
keinen Fall geschlossen, sondern zum "Durchsteigen benützt werden -- sagt und schreibt er -- oder wenigstens
zum Durchschauen." Er will jedenfalls nicht "eingemauert" werden, will den Durchblick offen halten: Sein
"Ich bin imbrünstig mein Alexeij Sagerer" ist radikales Total-Theater über das Theater, ist, unter dem
Titel einer monomanischen Selbstbeschränkung, der Kampf gegen die Windmühlen theatralischer Eitelkeiten.
Am Anfang kämpft er noch mit seiner grausam-komischen, oft ins Häßliche verliebten Phantasie: Da läßt er
einen "kleinen Wassersack", auch als Wärmflaschen bekannt, von der Wand herunter eine köstlich auf
Bedeutung getrimmte Blubberredearie "singen"; die windet sich, bäumt sich auf, plustert und plappert
und schlägt einfach ihr Wasser ab, so daß Herkules Sagerer diesen Theaterstall mit wunderlich
quietschenden Plastikschneeflocken auszumisten hat. Doch alle Kunstanstrengung will nichts nützen.
Am Ende nach einer offen-bacchiadischen, von Alltagslärm martialisch gefährdeten Posaunerei, liegt
Sagerers Tiegerjäger mit vor Anstrengung zerstörtem, schweißnassem Gesicht erschöpft "im Bett", über sich,
übermächtig (als Film), an die Wand geworfen fast zwei Dutzend Münchner Theaterleiter bei ihren
Interviewversuchen, sich auf Sagerers Fragen über ihr Theaterverständnis zu äußern; mit einem reinen,
weißen Damastband knüpft Sagerer schließlich die Brücke zum blubbernden Beginn ...
Der Tieger von Äschnapur Drei oder
Ich bin imbrünstig mein Alexeij Sagerer
1979-1985, UA proT, 14. Juli 1979
Die 7000 Euro Kanne ROT Der Abschied
Die 7000 Euro Kanne ROT verabschiedet sich mit folgenden Sätzen:
Das Theater des Aussen - also das Unmittelbare Theater, das andere Theater - denkt nicht
in Endlösungen, also ist nicht Repräsentation, sondern unberechenbar und kommt ungefragt
in die Welt - und dies ist nur
möglich, da es auf seiner Organisationshoheit besteht - und zwar uneingeschränkt!
Es ist keine Meinungsschiessbude sondern Prozessionstheater, das heisst, es bewegt sich in
Prozessen wie das Leben selbst in Einmaligkeiten, also in unzähligen einmaligen Kompositionen,
denn jede Einmaligkeit ist eine Komposition entstanden aus einmaligen Kompositionen.
Aber gegen weitere Angriffe auf das andere Theater wartet bereits in Niederbayern, bei
dem Bildhauer Peter Bauer die 11 000 Euro Kanne BLAU.
Externe Bios, Archive,
Preise und Texte
Theaterpreis der LH München
Alle drei Jahre verleiht die Landeshauptstadt München den Theaterpreis für das
herausragende Gesamtwerk.
Alexeij Sagerer erhält diesen Preis 1997 als
erster Vetreter der Freien Szene.
Theaterpreis der LH München 1997 an Alexeij Sagerer als ersten
Vertreter der "Freien Szene"
Der Stadtrat der Landeshauptstadt München verleiht den Theaterpreis '97
an
Alexeij Sagerer
Seit 1969 macht Alexeij Sagerer in München sein "Prozessionstheater" sein
- unmittelbares Theater -. Sagerer ist der gewiß eigenständigste, eigenwilligste
Theatermacher in der freien Szene der Stadt. Bei fast allen seinen Produktionen
ist er Autor und Regissuer, meistens wirkt er auch als Schauspieler mit.
SAGERERS Theater war von Anfang an ein "Raumtheater" bei dem die Gestaltung
des Raumes und die Nutzung des Raumes wesentliche Voraussetzung des Spiels im Raum
ist. Dazu gehört auch die genau kalkulierte Zuordnung von Schauspielern und
Spielfläche(n). Der Darsteller im "unmittelbaren Theater" ist meist nicht allein
Rollenspieler, sondern fast stets auch mit seiner ganzen physischen u. psychischen
Persönlichkeit gefordert. Sagerer selbst realisiert dieses Prinzip wohl am
extremsten, wenn er in den von ihm verkörperten Figuren immer wieder seine eigenen
Grenzen auslotet. Aber auch an alle anderen am Werk Beteiligten stellt er hohe
Anforderungen, die sie zu erfüllen bereit sind.
So ist unmittelbares Theater, wie Sagerer selbst sagt, "eigentlich ein Theater
der Erfahrung" - für alle Beteiligten. SAGERERS Arbeiten sind genau kalkulierte
szenische Werke, deren Ablauf z.B. durch exakte Zeitstrukturen bestimmt sein kann.
Sowohl Sagerers Theaterarbeit insgesamt als auch die einzelnen Produktionen
sind theoretisch fundiert, seine oft vielleicht eigenwilligen, sehr eigenständigen
Gedanken zum Theater zeugen auch von einem genauen, tiefen Theaterverständnis.
Noch erscheinen in der Erinnerung - und erweisen sich auch in der Wiederaufnahme -
frühe Arbeiten Sagerers als lebendig und wirksam. Er selbst hat aber in den nun bald
30 Jahren seiner Tätigkeit in München stets im Raum seines Theaterkonzepts neue Wege
gesucht, zumal im Experiment mit neuen Darstellungsmitteln, wie - schon früh - Film
und Video. Im Zentrum von Sagerers Theater aber steht fast durchweg der Mensch -
auf der Bühne und als Zuschauer. Der Mensch auf der Bühne aber muß nicht immer
Schauspieler sein. In seiner jahrelang einen ganzen Monat hindurch allabendlich
gefeierten "Maiandacht" präsentierte er jeden Abend einen anderen Gast aus den
verschiedensten Kunstsparten oder auch Berufsgruppen. Und jeden Abend verlief die
"Feier" - verändert durch die Individualität und die Kunstform des gastierenden
Künstlers bzw. der gastierenden Künstlerin - anders, auch wenn das Ritual des Rahmens
von den Mitgliedern des proT jeweils gleich gestaltet wurde.
Sein "Nibelungenprojekt" hat Sagerer über Jahre hinweg verfolgt, es eröffnete ihm
die Reithalle in der Heßstraße, die Muffathalle und schließlich auch das Marstalltheater
des Bayerischen Staatsschauspiels. SAGERER wuchsen die Rosen der "tz" zu und leuchteten
die Sterne der "Abendzeitung".
Die Zeiten sind wohl endgültig vorbei, in denen er aus der Realität seines
Theateralltags erklärte: "Wir spielen auch vor einem Zuschauer - wenn er da ist."
Und Sagerer hat sich an dieses Prinzip gehalten. Mit einer bemerkenswerten Mischung
aus Chaos und disziplinierter Konsequenz - im Leben, im Denken und Arbeiten - ist es
ihm gelungen, sein Theaterkonzept als einen der wesentlichsten Bestandteile
Münchner Theaterkultur zu etablieren.
München, Oktober 1997
Christian Ude / Oberbürgermeister
"Alexeij Sagerer - Künstlerische Biografie"
von Ralph Hammerthaler, Verlag Theater der Zeit Berlin, 2016
AAP Archive Artist Publications
Archiv für Künstlerbücher - Alexeij Sagerer
LENBACHHAUS Collection
Online-Katalog der Ankäufe des Lenbachhauses München - Alexeij Sagerer
IASLonline Diskussionsforum
"Wiener Aktionismus und Aktionstheater in München", Vortrag Thomas Dreher
Internationales Biographisches Archiv
Munzinger - Personen: Alexeij Sagerer
Wikipedia - Die freie Enzyklopädie
Alexeij Sagerer
sub-bavaria - Alexeij Sagerer
das Wiki-Lexikon der bayerischen Subkulturen
sub-bavaria - Leute & Szenen - proT
das Wiki-Lexikon der bayerischen Subkulturen
proT-way-MANIFEST
Prozessionstheater Urtext (02.11.1974)
Prozessionstheater ist eine einzige Bewußtseinserheiterung ...
proT-way-melodie
proT-way-manifest
proT-Produktion 1 (1975) - Schallplatte
Technik: Heinrich Tichawsky - Studio Ebenhausen
Titelbild: Aus dem Film "Aumühle"
Produktion: proT, 8 München 40, Isabellastraße 40
Das Theater des Aussen kann nicht durch Theatervereine begriffen werden und schon gar nicht durch die
ewiggestrigen Angeber, die behaupten "Gebt mir 10 oder 100 Millionen und ich mache euch das Theater der Zukunft".
Wer meint, heute schon das Theater von morgen zu kennen, macht lediglich das Theater von gestern.
INNEN UND AUSSEN
Texte zur Produktion von Theater (28.04.2000)
In gewisser Weise kann man unmittelbares Theater und domestiziertes Theater mit der
Wildsau und dem Hausschwein vergleichen. Wo das eine sein Sausein austrägt, trägt
das andere Schnitzel. Oder. Das Unmittelbare Theater ist nicht der 'Humus' des
domestizierten Theaters. Ebensowenig wie die Wildsau der 'Humus' für das
Hausschwein ist. (AS 1996)
Das Werden
"Wohin mit der Kultur ...."
neu auf Youtube!
Referat am VierVideoTurm
DokuMaterial - gedreht mit Video8 - 00:13:55 Std. - Gasteig Black Box am 07.06.1989
Das Unmittelbare ist so notwendig wie das Wasser und es ist noch flüssiger als Wasser, geradezu über-flüssig.
Das Unmittelbare steckt in allem, auch wenn es nicht mehr in seiner Über-Flüssigkeit erkannt wird - auch
hier ist es dem Wasser ähnlich. Kurz gesagt: das Unmittelbare Theater ist notwendig, da es überflüssig ist.
Das DokuMaterial Referat am VierVideoTurm ist der vierte und fünfte Teil eines
"Konzertes am VierVideoTurm" mit dem Titel Referat am VierVideoTurm
innerhalb der Rede-Reihe "Wohin mit der Kultur in München?", Folge 6 am 07. Juni 1989 in
der Black Box, Gasteig, München, veranstaltet vom BECK FORUM.
Synchronisator: Sieben gemalte Filme. Das DokuMaterial ist mit einer Video8 Kamera aus dem
Zuschauerraum gedreht und ungeschnitten. Mit Alexeij Sagerer.
Kamera Dokumaterial: Werner Prökel. proT, 1989.
Es sind immer schwere Zeiten für das Unmittelbare Theater.
.... als die Stadt noch in der Lage war, den Unterschied zwischen Institution und Unmittelbarem Theater,
dem Aussen zu denken ....
Die TheaterDoku Jürgen Kolbe - Halle-luja ist der vierte Teil des
"Vereinskonzert am VierVideoTurm" von Alexeij Sagerer in der Veranstaltungsreihe "proT für
die Welt" unter dem Titel "Das letzte alte Bier" im Brum's, Dreimühlenstraße 30, München
mit dem ehemaligen Kulturreferenten Jürgen Kolbe.
Das "Vereinskonzert am VierVideoTurm" gehört zu den Konzerten am VierVideoTurm.
Jedes Konzert am VierVideoTurm dauert sieben mal sieben Minuten und wird synchronisiert durch sieben gemalte Filme.
Kamera: Christoph Wirsing. proT 1990.
Die Freiheit der Kunst
Warum kann Alexeij Sagerer sich sich selbst immernoch leisten
Kommentar von Alexeij Sagerer zu Nachtkritik.de "Ein armes Leben im reichen", Sabine Leucht (20.03.2018)
Sabine Leucht, Nachtkritik.de, 20.03.2018
"(...) Vernetzung versus Münchner Mentalitäten
Als sich Anfang 2017 das Netzwerk Freie Szene München gründete, war es im Vergleich zu anderen Städten spät dran.
Noch mehr verwundert, dass es überhaupt zu einer gemeinsamen Interessenvertretung gekommen ist. Denn die Tanz- und
Theatermacher dieser Stadt lassen sich schon aus Prinzip ungern über einen Kamm scheren. "Freie Szene?", schnaubte
vor Jahren Alexeij Sagerer, "Das erinnert an kleine Fische, die sich zusammentun, um wie ein großer Fisch zu wirken."
Sagerer, der bereits in den Siebzigern neben Rainer Werner Fassbinder und George Froschers FTM nicht nur Münchner
Theatergeschichte schrieb, reicht seit 2016 Projektanträge auf null Euro Förderung ein, weil er die Achtung vor dem
ergebnisoffenen Arbeiten von Seiten der zunehmend kontroll- und projektfixierten Kulturpolitik vermisst.
Da hat er zwar Recht; doch nur, wer mehr als 40 Jahre kontinuierlich von der Stadt gefördert wurde, kann sich das
leisten. Die meisten, die unter dem Dach des Netzwerks für mehr Probenräume, mehr Geld, für Bürokratieabbau und
mehr Verständnis für die Prozesshaftigkeit künstlerischen Arbeitens streiten, wagen davon nicht mal zu träumen.
Auch deshalb fordert das Netzwerk selbstbewusst eine Vervierfachung der Fördermittel auf zehn Millionen Euro.
Wenn man sieht, dass viel weniger reiche Kommunen wie Dresden und Augsburg erst kürzlich die ihren verdoppelt haben,
mutet das gar nicht mal so utopisch an. Zumal das Geld sich in München auf mindestens acht feste freie Häuser,
sechs Infrastrukturmaßnahmen und drei Jurys verteilen würde, die über die Vergabe von Projektfördergeldern im
Bereich (Musik-)Theater/Performance, Tanz und Kindertheater entscheiden. (...)"
Alexeij Sagerer, Kommentar auf Nachtkritik.de, 23.03.2018
Warum kann Alexeij Sagerer sich sich selbst immernoch leisten...
Nein, liebe Sabine, das kann ich mir nicht leisten, weil ich 40 Jahre kontinuierlich von der Stadt gefördert wurde.
Wenn es danach geht, kann ich mir jetzt Hartz IV leisten. Wer ist denn dieser Meinung oder wie kommst du zu dieser
Meinung, dass man sich "das" nur nach 40 Jahren kontinuierlicher Förderung leisten kann? Da hättest du vielleicht
einpaar Zahlen vergleichen sollen.
Es wurde auch nicht ergebnisoffen gefördert, sondern am permanent entstehenden Ergebnis entlang gefördert. Es wurde
auch nicht einfach kontinuierlich gefördert, sondern eher an diesem permanent entstehenden Ergebnis entlang gekämpft.
Und es wurde nicht einfach anonym gefördert, sondern es gab künstlerische Ereignisse und zwar andere als man bisher
kannte und man wollte sie haben in dieser Stadt und für diese Stadt.
Offensichtlich braucht die Stadt das Andere nicht mehr, weil es das jetzt kennt, und in ihren eigenen Einrichtungen
selbst herstellen kann oder durch ihre Einrichtungen kontrollieren will. So bist du jetzt in die Werbung für eine
weitere städtische Einrichtung, wie ein Produktionshaus oder was auch immer, als Endlösung für alle unkontrollierten
künstlerischen Prozesse, eingestiegen. Das ist nichts Unrühmliches, man sollte aber nicht das eine Andere mit dem
anderen Anderen verwechseln und schon gar nicht falsch darstellen.
Womit ich wieder zum Anfang meines kleinen Textes komme. Warum kann Alexeij Sagerer sich sich selbst immer noch leisten
(und dabei lacht er auch noch), wenn nicht wegen der "40 Jahre kontinuierlicher Förderung durch die Stadt"? Weil er
dann doch lieber verreckt als im Falschen, vielleicht, zu überleben! Aber er ist doch immer noch da. Also zum
Abschluss noch ein Quiz! Warum verreckt Alexeij Sagerer nicht?
Er bekommt doch Hartz IV.
Er ist ein begnadeter Roulettespieler.
Er hat Glück bei den Frauen.
Der Verein zur Förderung von Unmittelbarem Theater wird total unterschätzt.
Er benützt das Verrecken als Produktionsmittel.
Er hat Fähigkeiten von denen er dir garnichts erzählt hat.
Er dreht sich einfach nicht um.
Von der Möglichkeit, ausserhalb des Systems zu stehen.
Ein Interview mit Alexeij Sagerer geführt von Anke Bitter (28.05.2017)
Ja, genau so hab ich mir das gedacht.
München 19.12.2017 ... doch noch eine Antwort von Alexeij Sagerer auf die Email vom 18.10.2017 aus dem Bereich "Darstellende Kunst" des Kulturreferats München und besonders auf den ersten Abschnitt.
Text der Email, 1. Abschnitt:
von DarstellendeKunst@muenchen.de
"1. Laufende Gesprächsrunden des Kulturreferates mit dem Vorstand des Netzwerks Freie Szene
Seit September finden Gesprächsrunden zwischen dem Netzwerk Freie Szene e.V. und dem Kulturreferat statt, die sich monatlich an dem im April vorgelegten Positionspapier des Netzwerkes orientieren.
Anlässlich dieser neuen Entwicklung stellt sich auch die Frage, ob das Netzwerk einen klaren Auftrag aus der Szene als seine Interessenvertretung hat. Dann könnten diese Gespräche zukünftig gegebenenfalls
auch die Come Together-Veranstaltungen des Kulturreferats, zu welchem das Kulturreferat die Freie Tanz- und Theaterszene etwa zweimal jährlich über seinen Mailverteiler einlädt, ersetzen. Wir bitten Sie hierbei um Ihre Einschätzung und Rückmeldung."
Antwort von Alexeij Sagerer:
Ja, genauso habe ich mir das gedacht. Informiert, das heisst wahrgenommen, wird auf Dauer nur, wer in den Verein eintritt. Das Aussen, das Ausserhalb der Institutionen, dort wo die
künstlerische Bewegung, das heisst dort wo die nicht berechenbare oder noch schlimmer, die unberechenbare Bewegung stattfindet, wird durch den Begriff "Freie Szene" eingefangen, dann in einem Verein
gefasst, quasi zur Institution erklärt, und wer da nicht mitspielt, wird nicht mehr wahrgenommen von der Kulturbehörde. Der ganze Begriff Theater wird durch immer weitere Institutionen
kontrolliert; Geld spielt dabei keine Rolle. Geld spielt immer da eine grosse Rolle, bekommt was explosives, wenn es direkt an den Künstler geht. Durch weitere Institutionalisierung wird versucht,
das Andere, das Aussen unsichtbar zu machen. In der Realität heisst das auch, dass nur noch "Angelernte Künstler" Zugang zu öffentlichen Mitteln bekommen. Hier braucht man die Künstler
nicht einzusperren, hier werden sie unsichtbar gemacht. Während Pseudorevolutionäre mit vergoldeten Arschlöchern in den Institutionen sitzen und die von der momentanen Politik gewollten Parolen
wiederkäuen und flotte Sprüche reissen.
Wenn eine Gesellschaft beginnt, nach rechts zu rücken, bleibt als erstes die Freiheit der Kunst auf der Strecke, das ist so, da die Kunst keine Lobby hat, daher kann man sie ohne grossen Wirbel
verschwinden lassen. Aber die Freiheit der Kunst ist ein Grundrecht und bleibt nicht den, von den Behörden angelernten und geprüften Personen vorbehalten. Die Freiheit der Kunst ist ein Grundrecht,
das JEDER besitzt. Es ist schon klar, dass sich eine Mehrheit nicht um Kunst kümmert. Aber jeder weiss, dass sie da ist. Dass ein Ausserhalb da ist, dass es ein Unbekanntes gibt. Dass es lebendig ist
und nicht verwaltet. Dass das Leben nicht ein geschlossenes System ist, dem man nicht entkommen kann.
Egal wieviele weitere Institutionen und getarnte Institutionen und angeregte oder nicht angeregte Vereine gegründet werden, auch wenn sie das Wort "frei" im Titel führen, es wird nicht freier.
Und falls jemand fragen sollte:
Nein, wir haben auch für 2018 keinen Antrag auf Subventionen gestellt.
Nein, kein Verein kann die Interessen von Alexeij Sagerer oder proT vertreten, weder mit klarem noch mit unklarem Auftrag.
Gebt auf, bewerbt euch bei den Institutionen!
Ein Interview mit Alexeij Sagerer von Simone Lutz (01.12.2015)
Alles Biographie
2022 - "Die Lust am anderen Theater"
Alexeij Sagerer und proT bei der Ausstellung "Freie darstellende Künste in München"
04.05. - 31.07.2022 im Deutschen Theatermuseum in München.
Leitende Kuratorin Dr. Birgit Pargner.
50 Jahre proT
Die Vier Tage des Unmittelbaren Theaters, 27.-30. Nov. 2019, Muffatwerk München Die Kunst des Alexeij Sagerer - Film - Diskussion - Theater - eine Veranstaltung des Kulturreferats der LH München
"Alexeij Sagerer - Künstlerische Biografie"
von Ralph Hammerthaler, Verlag Theater der Zeit Berlin, 2016
Theater ungleich. Alexeij Sagerer und das Münchner Theater proT.
Miriam Drewes: Vortrag am 3. Nov. 2001 anlässlich des 4. Symposiums zur Münchner Theatergeschichte "Der Autorwille. Wieviel Biografie steckt in der Kulturforschung?".
Kompaktbiographie
Alexeij Sagerer, proT
Kurzbiographie
Alexeij Sagerer, proT
auf proT
Alexeij Sagerer und das proT - BR 1995
16. Januar 1995 (8:49 Minuten)
"SPIELZEIT - Das Theatertagebuch des Bayerischen Fernsehens" von Wilfried Passow und Amadou Seitz.
auf proT
Das Münchner Theater proT
- Goethe-Institut 1993
Deutsches Theater der Gegenwart: Freies Theater, Goethe-Institut München (11:34 Min.)
"Alexeij Sagerer und sein proT, ein bayerischer Performer von Gottes Gnaden, archaisch, urwüchsig und progressiv zugleich."
Buch & Regie: Ulrike Kahle; Kamera: Lothar Wolte; Ton: Udo Radek; Schnitt und Mischung: Matthias Behrens;
Herausgeber der Reihe: Michael Merschmeier, Henning Rischbieter; im Auftrag des Theaterreferats, Ute Kirchhelle,
Roland Schaffner.
SEITEN - ABSPANN
Lust auf proT - proTshortcuts auf YouTube
proT-shortcuts auf YouTube sind intensive Film-Ausschnitte von oder mit proT:
Theaterdokumentationen, live-film, Unmittelbarer Film ... oder kurze proT-Filme wie Film-Comics,
Vorfilme, Werbefilme ...
proT auf YouTube: proTshortcuts
Inzwischen über 170.000 Views angeführt von den 4 FAVORITES mit je über 10.000 Aufrufen:
Tanz in die Lederhose: 25.799 Views, Vorfilm für Voressen: 17.392 Views,
Frau in Rot: 13.852 Views und Ottfried Fischer hustet Alexeij Sagerer: 10.165 Views.
(Stand 14.05.2024) und siehe auch Rote Wärmflasche tanzt auf Platz 5 mit überraschenden
8165 Aufrufen, Maiandacht mit 7742 Views, Erste Bierrede zur Kunst mit 5263 Views ...