proT jetzt!
Aktuelle Meldungen letzte Bearbeitungen
Unmittelbares Theater und die proT-Halle
Die Vier Tage des
Unmittelbaren Theaters 1986 / 1987
Festival des proT in der proT-Halle, München
In gewisser Weise kann man Unmittelbares Theater und domestiziertes Theater mit der Wildsau
und dem Hausschwein vergleichen. Wo das eine sein Sausein austrägt, trägt das andere Schnitzel.
Oder. Das Unmittelbare Theater ist nicht "der Humus", des domestizierten Theaters. Ebensowenig
wie die Wildsau "der Humus" für das Hausschwein ist. (AS, 1986)
1986 und 1987 veranstaltet proT DIE VIER TAGE DES UNMITTELBAREN THEATERS.
Dabei werden ausschließlich für "die vier Tage" produzierte Theaterproduktionen gezeigt.
Zu den VIER TAGEN DES UNMITTELBAREN THEATERS werden nur Künstler eingeladen, deren Arbeit
sich an irgendeinem Punkt mit der Arbeit des proT schneidet und auf deren Werk der Begriff
"unmittelbar" im weitesten Sinn anwendbar erscheint.
Das Unmittelbare Theater
Das Unmittelbare Theater arbeitet unmittelbar.
Das Unmittelbare Theater ereignet sich unmittelbar.
Das Unmittelbare Theater verschlingt jede Bedeutung.
Das Unmittelbare Theater verschlingt das literarische Theater, das experimentelle Theater,
das politische Theater, das Tanztheater, das Musiktheater, das Volkstheater,
das Boulevardtheater, das Ballett, die Oper, die Komödie mit der Tragödie, das Kabarett
und das Cabaret, den Striptease, die Modenschau, das Oktoberfest, die Tageszeitung,
alte und junge Schachteln.
Das domestizierte Theater ist als domestiziertes Theater unmittelbar. Das Unmittelbare Theater
kann man nicht domestizieren. Es verschlingt auch das domestizierte Theater, den Faschismus,
die Stadt und das Land.
Unmittelbares Theater heisst: es gibt keine Zeit.
Unmittelbares Theater heisst: es gibt keine Wiederholung. Es gibt nur grössere und kleinere
Ähnlichkeiten oder Unähnlichkeiten.
Die Zeit ist nur ein Gestenvergleich.
Die Zeit ist lediglich der Versuch, sich gleichende Gesten in selbe zu verwandeln. Erdumdrehung.
Uhrenvergleich. Quarzschwingung.
Die Zeit ist nur eine Geste.
Die Zeit ist nur der Versuch die Geste zu beherrschen.
Die Zeit ist nur der Versuch die Wiederholung zu behaupten. Nur die Wiederholung ist beherrschbar.
Die Wiederholung ist der Versuch, das Unmittelbare Theater zu beherrschen.
Das Unmittelbare Theater ist der blutig geschlagene Leib des Theaters.
Das Unmittelbare Theater ist grenzenlos und zerstückelt. Und es verschlingt alle Grenzen und Schuhe.
Das Unmittelbare Theater ereignet sich öffentlich.
Das Unmittelbare Theater tritt ans Publikum und gleichzeitig entzieht es sich dem Publikum.
Unmittelbares Theater heisst: Jede Geste zählt.
Unmittelbares Theater ist Politik, Kunst, Religion und Pornographie.
Das Unmittelbare Theater ist ästhetischer Krieg.
Das Unmittelbare Theater lebt und stirbt immer wieder. (AS 1987)
UNMITTELBARE MUSIK
Gleichzeitig mit den "Vier Tagen" findet eine Konzertreihe mit "Unmittelbarer Musik" statt.
Die Auswahl und Organisation der Musiker entsteht in Zusammenarbeit mit Bernhard Jugel.
Diese Konzertreihe mit Unmittelbarer Musik wird auch unabhängig von "den Vier Tagen" fortgesetzt.
So gibt es dann zum Beispiel - unter anderem - vom 14. bis 17. November 1991 in der proT-ZEIT
ein Musik-Programm unter dem Titel UNMITTELBARE MUSIK AUF DEM WEG ZUM THEATER unter anderem mit
Vinko Globokar (Paris), Mia Zabelka (Wien), Phil Minton (London), Attwenger (Österreich) ...
Es gibt Musik, die einer Tradition, einem Stil, einer Spieltechnik, einer Modeströmung oder
einem intellektuellen Konzept verpflichtet ist und es gibt UNMITTELBARE MUSIK.
AKTIONSABEND
Bereits in der Eröffnungswoche des proT in der Isabellastrasse 40 in München
- am 30. November 1969 - veranstaltet
das proT Unmittelbare Musik mit dem "Aktionsabend I: Experimentelle Musik für
3 präparierte Streichinstrumente" - Michael Kopfermann - Viola - mit Peter Fjodoroff -
Violoncello - und Jürgen v. Huendeberg - Violine.
1986 - Die Vier Tage
des Unmittelbaren Theaters I
Festival des proT in der proT-Halle, Schleißheimerstraße 418, München
07. - 10. Mai und 21. Mai - 08. Juni (Konzerte mit Unmittelbarer Musik)
Unmittelbares Theater heisst ein Theater, das sich auf seine Arbeit unmittelbar einlässt
und diese Arbeit an, in und mit der Öffentlichkeit austrägt.
Ein Gegensatz zum Unmittelbaren Theater wäre z.B. das domestizierte Theater.
Ein unmittelbares Theater trägt sich mit der Öffentlichkeit aus und schliesst sich nicht mit
seinem Publikum kurz.
Die Natur ist keine Verwertungsgesellschaft, sondern eine Gemeinschaft von Qualitäten.
Das Unmittelbare Theater ist eine eigene und damit andere Qualität.
Das Münchner Volkstheater - ursprünglich im 19. Jahrhundert die Bezeichnung für ein Theater
ohne festes Haus und seit einiger Zeit durch die Einrichtung
"Münchner Volkstheater" simuliert - war möglicherweise einmal ein unmittelbares Theater.
(AS 1986)
Unmittelbares Theater
07. - 10. Mai 1986
Abendzeitung, Sa./So. 10./11. Mai 1986
Wildsäue tragen keine Schnitzel
In Alexeij Sagerers proT-Halle: Vier Tage des Unmittelbarn Theaters
Im rauhen Norden Münchens gibt es neben dem Pop- und Rock-Eldorade der Alabama-Halle
eine Enklave des absolut undomestizierten, schwer auf den Begriff zu bringenden
Theaters - die proT-Halle. Hier hat proT-Meister Alexeij Sagerer jetzt die
"Vier Tage des Unmittelbaren Theaters" ausgerufen. Mit Aufführungen seiner Gruppe,
vom Münchner Tape-Theater und vom Minimal Club, und (jeweils ab Mitternacht)
Musik-Aktionen ausländischer Gäste. Das Programm für, Samstag: "Oh, oh Maiandacht"
(proT, 19 Uhr), "No Plays" (Tape, 21 Uhr), "die zukünftige frau des sohnes 1956"
(Minimal Club, 23 Uhr) und "Pöhl Musik" (ab 0.30 Uhr).
Die drei Spielgruppen setzen sich, jede auf ihre Art, entschieden ab auch vom Programm
der Münchner Privatbühnen. Sie produzieren sich selbst, mit eigenen Erfindungen (Text,
Raum, Musik, Video), sie suchen spontan und kompromißlos die Konfrontation mit einem
zwar spärlichen, um so treueren Publikum. Sie sind und wollen sein lustvolles Unkraut
im fein gesprühten Palmengarten der Szene. (...)
Ingrid Seidenfaden
minimal club:
die zukünftige frau des sohnes 1956
mit elisabeth buchmann, manuela wittmann, stefan geene
Tape:
No Plays
mit Colin Gilder, Kalle Laar, Claude Maurer
proT:
oh, oh Maiandacht
mit Franz Lenniger, Cornelie Müller, Brigitte Niklas, Alexeij Sagerer
WIENER, Mai 86
Unmittelbares Theater
Wer sich vor dem Beginn der Wiener Festwochen mit ihrem Mozart-Rummel und "Theater-Heute"-Hitlisten
noch gutes Theater gönnen will, sollte in München "Die vier Tage des Unmittelbaren Theaters"
besuchen. Die Veranstaltung trägt Manifestcharakter und wird dem gesitteten Theaterkonsumenten keine
vorgekauten Theatererlebnisse gewähren, sondern mit ihm in den Clinch gehen: "In gewisser Weise kann
man unmittelbares und domestiziertes Theater mit der Wildsau und dem Hausschwein vergleichen.
Wo die eine ihr Sausein austrägt, trägt das andere Schnitzel." Mitwirkende sind das Prozessionstheater
(proT), tape und der Minimal Club, ein paar versprengten Wienern von einem winterlichen Auftritt im
Dramatischen Zentrum ein Begriff. Was das proT betrifft, nur soviel aus dem proT-way-Manifest:
"Prozessionstheater ist schwierigkeitsarm! Eine archachteruchtbesessene Pherachthisprozession!
Das Prozessionstheater ist so natürlich wie der Regen, der in den Regen fließt. Besser besessen als
tot! Ein Boxer darf nicht unästhetisch sein!" Weiters auf dem Programm: Unmittelbare Musik
aus dem Ruhrgebiet, der Schweiz und Italien.
P.P.
oh, oh Maiandacht
1986, 1987-1991
Die Komposition oh, oh Maiandacht von Alexeij Sagerer entsteht 1986 (mit Cornelie Müller und Franz Lenniger)
aus der Vorstellung eines Unmittelbaren
Theaters für "Die Vier Tage des Unmittelbaren Theaters", ein Festival des proT, in der proT-Halle
vom 07. bis 10. Mai. Dabei wird oh, oh Maiandacht dreimal aufgeführt.
Mit den "Vier Tagen des Unmittelbaren Theaters" veranstaltet das proT in der proT-Halle
gleichzeitig Mitternachtskonzerte mit "Unmittelbarer Musik".
Bei der Fortführung dieser Konzerte "Unmittelbarer Musik" wird oh, oh Maiandacht
im selben Jahr noch 9 mal aufgeführt.
Von 1987 bis 1991 wird die ursprüngliche Komposition "oh, oh Maiandacht" unter dem Titel
"oh, oh Maiandacht..." fünf Jahre lang vom 01. bis 31. Mai, jedes Jahr an einem anderen Ort,
täglich gespielt. Zusammen mit der Aufführung der ursprünglichen Komposition tritt
jeden Abend ein anderer Künstler / eine andere Künstlergruppe oder Kulturschaffender auf:
Musiker, Maler, Bildhauer, Performer, Schriftsteller, Videokünstler, Theatermacher ...
Damit öffnet oh, oh Maiandacht eine eigene Horizontale im künstlerischen Prozess des proT mit
dem Stichwort "Theater als Ereignis - eine Vision aus der proT-Halle".
Maiandacht
CAPRICCIO DAS KULTURMAGAZIN (BR), (YouTube 8:48 Min.)
Autor: Andreas Ammer, Mai 1991, München
Der Beitrag zeigt Ausschnitte aus der proT-Theaterproduktion
oh, oh Maiandacht... und
aus einem Interview von Andreas Ammer mit Alexeij Sagerer, im Mai 1991.


1986 wird "oh, oh Maiandacht" (mit Alexeij Sagerer, Franz Lenniger und Cornelie Müller) für
die DIE VIER TAGE DES UNMITTELBAREN THEATERS produziert. Von 1987 bis 1991 wird "oh, oh Maiandacht..."
fünf Jahre lang jeweils vom 01.-31. Mai täglich gespielt.
Zusammen mit der Aufführung von "oh, oh Maiandacht" tritt jeden Abend ein anderer Künstler oder eine andere
Künstlergruppe auf: Maler, Musiker, Bildhauer, Performer, Schriftsteller, Videokünstler, Theatermacher .....
Täglich wechselnde Gastkünstler bei "oh, oh Maiandacht..." u.a. Biermösl Blosn, Die Interpreten, FLATZ,
Sepp Bierbichler, Nikolaus Gerhart, Jörg Hube, Paul Fuchs, Werner Fritsch, Rotraut Fischer, Verena Kraft,
Kurt Petz, Roland Fischer, Paul Wühr, Vlado Kristl, Rudi Zapf, Peter Brötzmann, Abbie Conant, Embryo,
Toine Horvers, Sissy Perlinger, Valeri Scherstjanoi, Veronika von Quast, Rolf Staeck, Sigfried Kaden,
Rabe Perplexum, Billie Zöckler, Claus Biegert, Paul Lovens, Günther Beelitz, Café Größenwahn,
Andreas Ammer, Siegfried Hummel .....
Unmittelbare Musik
proT-Halle
1. Konzert, 07. Mai
Evan Parker (GB)
(Sopransaxophon, Tenorsaxophon)
2. Konzert, 08. Mai
Stephan Wittwer (Schweiz)
(E-Gitarre)
Martin Schütz (Schweiz)
(Bass & Cello)
3. Konzert, 09. Mai
Andrea Centazzo (Italien)
(Percussion & Schlagzeug)
Peter Frohmader (München)
(Elektronik & Bass)
4. Konzert, 10. Mai
Pöhl Musik (Ruhrgebiet)
Karl-Heinz Blomann (Altsaxophon, Sopransaxophon, Flöte)
Thomas Kommann (akustischer und elektronischer Bass, Gitarre)
Norbert Solbach (Gitarre, Posaune, Badewanne, Basstrommel)
Abendzeitung, Mittwoch 14. Mai 1986, Musik in München
Der geordnete Wahnsinn
proT: Vier Nächte unmittelbarer Musik
"Unmittelbares Theater" ist laut dem Sagerer-Manifest die ungebändigte Wildsau
unter den schnitzeltragenden Hausschweinen. Mit der dazugehörigen Musik in vier
nachmitternächtlichen "proT"-Konzerten verhält es sich sehr ähnlich:
Klangkörper statt Tonträger.
Den besten Beweis, daß "unmittelbare Musik" nicht unbedingt nur mittellos-genialen
Dilettantismus bedeutet, lieferte der englische Saxophonist Evan Parker: Hochvirtuos
füllte er den Raum mit dichten, obertonreichen Endlosminimalismen. Inmitten einer
Kultstätte aus von der Decke baumelnder Holzscheite flutet er die ganze Halle,
hört auf sie, spielt mit ihrer Akustik.
Verletzlich scheint dieses filigrane Duett mit der Umgebung, ist aber stark im
Umgang mit Reaktionen: dem befreiten Aufatmen des Publikums, wenn Parker den
Klangdruck zurücknimmt, dem hemmungslos mitsingenden Sagerer. - Reaktionen, die
das Schweizer Duo Stephan Wittwer und Martin Schütz nicht so selbstverständlich
zulassen. Gemein reichen sie den in Bass- und Gitarrenclustern Ertrinkenden immer
wieder den Rettungsring aus Hörgewohnheiten, um ihn leicht verbohrt avantgardistisch
wieder zurückzuziehen, bevor das Ohr richtig zupacken kann.
Packend war dagegen das Duell des Percussionisten Andrea Centazzo mit dem lustlos
in seiner Elektronik versumpften Peter Frohmader. Hier ging unmittelbare Musik
unmittelbar in die Hose, war nur ein Forum für Missverständnisse.
Und die Kunst der "unmittelbaren Musik" ist ihre Abhängigkeit von einmaligen
Situationen. Sieht man "Pöhl Musik" zum zweitenmal auf ihre Blechwanne eindreschen,
wirkt das nur noch kalkuliert wütend. Zu arrangiert ist ihr Musik-Gepöbel, das immer
mehr gen "No Wave" abdriftet. Geordnet ist der Wahnsinn aus dem Ruhrpott, nur noch
organisiertes Chaos aus Industrieklängen, statt Maschinenstürmerei.
Markus Beck
Das proT ist auch nach den VIER TAGEN DES UNMITTELBAREN THEATERS
an Unmittelbarer Musik interessiert. Mit Musikern, die vom 7.-10. Mai
nicht zur Verfügung stehen, findet 1986 eine zweite Serie von vier
Konzerten statt.
5. Konzert, 24. Mai
Phil Minton (London)
(Stimme)
Erhard Hirt (BRD)
(Gitarre)
Roger Turner (GB)
(Percussion)
6. Konzert, 06. Juni
Dietmar Diesner (DDR)
(Sopransaxophon, Tenorsaxophon)
Süddeutsche Zeitung, Dienstag 10. Juni 1986, Münchener Kulturberichte
Neuland
Dietmar Diesner im proT
Von der Decke der proT-Halle hängen acht vermoderte Holzbalken an langen Stahlseilen,
Requisiten zu Alexeij Sagerers "Maiandacht", darunter im harten Scheinwerferlicht
ein Echogerät, ein Mikrophon, eine Klarinette, zwei Saxophone auf einem Stuhl -
ein archaisch-modernistisches Stilleben. Die Tür neben der Spielfläche öffnet sich,
Dietmar Diesner schreitet in den Raum, sopransaxophonblasend umrundet er die Halle,
zieht einen Klangkreis mit an- und ab-schwellenden Tönen, kein Atemholen, Zirkularatmung
machts möglich: Kunststückchen und Ritual.
Dietmar Diesner ist ein junger Musiker aus Dresden, eingebettet in die fruchtbare Free-
Szene der DDR, häufiger Partner solch renommierter Improvisationsmusiker wie Ernst-Ludwig
Petrovsky, Ulrich Grumpert oder Conrad Bauer, die den Free-Jazz in der DDR gründlich
modifiziert haben. Mit dem Ergebnis, daß Jazz, der afro-amerikanische Einfluß also,
weitgehend aus ihrer Musik verschwunden und eine kühle, intellektuelle, der europäischen
E-Musik-Avantgarde verbundene Klangwelt entstanden ist; gepaart mit einem schrägen Witz,
der diese Klangphantasien wieder konsumierbarer und unterhaltsamer werden läßt.
Dietmar Diesner demonstriert all diese Merkmale der DDR-Schule in seinem zweiten Stück.
Steif und mit preußischem Bullenbeißer-Habitus steht er da, das Sopransax angsetzt, Holzklotz
und Holzklötzen, arroganter Gockel, und so bläst er auch los, wichtigtuerisches Schnattern und
Scheppern, atemloses Aufmandeln, schließlich legt sich der wildgewordene Ganter mit
einem der Holzbalken an, vermag nichts gegen das morsche Drumm, läßt ab von seinem
nichtswürdigen Gegner: Lachstück und souveräne Demonstration technischer Perfektion in einem.
Wirklich überraschend, Neuland betretend die nächsten Stücke Dietmar Diesners:
eine zärtliche, melodieverliebte Hommage an den Jazz mit Verbeugungen vor Charlie Parker
und Albert Ayler sowie ein pastorales Klarinettenstück, das in seiner Struktur Interesse
für Minimal Music verriet. Brillant ausgeführte Solonummern eines mutigen, entwicklungsbereiten
Musikers, dessen eigenständiger Weg in seiner Heimat und international mehr Beachtung
verdient hat.
Karl Bruckmaier
proT-Konzert mit Dietmar Diesner von 1989 im Carl-Orff-Saal, Gasteig
Avantgarde an der Heimatfront
27. Dezember 1989, Gasteig, Carl-Orff-Saal, München (YouTube 7:59 Minuten)


Avantgarde an der Heimatfront ist das dritte der "Vier Konzerte auf der Tiegerfarm"
von Alexeij Sagerer und gehört zu den Konzerten am VierVideoTurm. Jedes Konzert am VierVideoTurm dauert
sieben mal sieben Minuten und wird synchronisiert durch sieben gemalte Filme.
Zu sehen ist der vierte Teil von
Avantgarde an der Heimatfront mit Dietmar Diesner (Saxophon, Klarinette),
Johannes Bauer (Posaune), Peter Hollinger (Schlagzeug) und Jon Rose (Violine). (Kamera Dokumaterial: Werner Prökel).
7. Konzert: 16. Oktober
Guy Klucevsek (USA)
(Akkordeon)
8. Konzert: 24. Oktober
Tom Cora (USA)
(Cello)
1987 - Die Vier Tage
des Unmittelbaren Theaters II
Festival des proT in der proT-Halle, Schleißheimerstraße 418, München
14. - 17. Oktober und 28. - 31. Oktober (Spiegelwoche)
Wegen einer schweren Erkrankung von Robyn Schulkowsky findet die am Mittwoch, 14. Okt.
Vorgesehene Premiere SKIN : WOOD : METAL : MUSCLE am Mittwoch, den 28. Okt. statt.
In der Spiegelwoche werden die Theaterproduktionen der VIER TAGE noch einmal aufgeführt.
Süddeutsche Zeitung, 14. Oktober 1987
"proT für die Welt"
Alexeij Sagerers Tage des Unmittelbaren Theaters
Alexeij Sagerer ist der Größte in der immer kleinmütigeren "freien" Münchner Theaterszene.
Wieder einmal macht sich dieser bajuwarische Radikalist daran, die ganze übrige, brave Theaterwelt
das Fürchten zu lehren - daß diese die proT-Herausforderung meist gar nicht bemerkt, sei hier
wieder einmal mit Bedauern festgestellt. Heute um 19 Uhr startet Alexeij Sagerer mit einer eigenen
Produktion "Die vier Tage des Unmittelbaren Theaters": "Intercity Fahrplan II" - um 23.30 Uhr folgt
Vinko Globokars "Mein Körper ist eine Posaune".
Morgen um 20 Uhr zeigt Barbara Hammann ihr Video-Theater "Paul und Marianne" und um 22.30 Uhr
tritt der Percussionist, Poet, Performer Sven-Ake Johanssen in der proT-Halle auf. Der Freitag gehört
Ginka Steinwachs (Literatur:Theater) "Das (f)rohe Ei"und - von 23.30 Uhr an - dem Musiker Rüdiger Carl.
Weil Robyn Schulkowsky ihren "Skin-Wood-Metal-Muscle"-Auftritt für diesmal absagen mußte,
gibt es zum Abschluß dieser vier unmittelbaren Theatertage nochmals "Intercity Fahrplan II" (19 Uhr!),
dafür geht in der "Spiegelwoche der Vier Tage des Unmittelbaren Theaters" - vom 28. bis zum 31. Oktober -
Schulkowskys "Musik-Theater" gleich zweimal über die Bühne. "Musik provoziert Theater; Theater
provoziert Musik", heißt es dazu. Im übrigen, so Sagerer, verschlingt das Unmittelbare Theater
das literarische Theater, das experimentelle Theater, das politische Theater, das Tanztheater,
das Musiktheater, das Volkstheater ... bis hin zum Oktoberfest und zur Modenschau." Das
Unmittelbare Theater ist ästhetischer Krieg - wer geht hin?!
Thomas Thieringer
Unmittelbares Theater
Die Vier Uraufführungen
Robyn Schulkowsky (USA)
SKIN : WOOD : METAL : MUSCLE
Musik : Theater
Die erste unmittelbare Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem Begriff Theater:
Musik provoziert Theater, Theater provoziert Musik.
Abendzeitung, 30. Oktober 1987
Fluß der Zeitlosigkeit
Percussion-Lady Robyn Schulkowsky im proT
Einzelne, einsame Xylophonklänge tropfen in großen Abständen an allen Stellen des Raums
in die Dunkelheit herab. Sie macht sich auf, die Lücken zu füllen, die tönenden Bandpfosten der
Pausen zu umspielen: Robyn Schulkowsky, eine Amerikanerin in München, der schlagende
und symbolische Beweis für Percussives auf mehreren Ebenen (im proT innerhalb der Spiegelwoche).
Skin : Wood : Metal : Muscle heißt ganz lapidar das Spiel mit notwendigen Elementen,
die Voraussetzung für die kleinen und die großen Schwingungen, die das nackte proT
durchziehen. Obwohl Robyn Schulkowsky mit der "Time" spielt, sprich Rhythmen und Akzente
gegeneinander lagert, hat ihr Spiel, assistiert von Zuspielband weiterer Percussion und zwei
ringenden Gymnasten den Fluß der Zeitlosigkeit.
Noch heute 20.00 Uhr, ist Robyn Schulkowskys Musik-Theater im proT zu hören und zu sehen.
Ssirus W. Pakzad
Barbara Hammann (München)
PAULA UND MARIANNE
Video : Theater
Ein Live-Video-Dialog zwischen den Malerinnen Paula Modersohn-Becker und Marianne von Werefkin.
Zugrunde liegen ihre
Briefe und Tagebücher. Schwerpunkt der Video- und Laserinstallation ist bewegtes, farbiges Licht,
das den geistigen und emotionalen Raum für die beiden aussergewöhnlichen Künstlerinnen schafft.
PAULA UND MARIANNE ist das erste Video-Theater der Künstlerin.
Ginka Steinwachs (Hamburg)
DAS (F)ROHE EI
Literatur : Theater
..... mentales stück aus tausendundeiner zeile
motto: un oef c'est peu / deux c'est mieux / trois c'est pitance / quarte c'est outrance -
aus der vor- und frühgeschichte von marylineparis.
Alexeij Sagerer (proT)
INTERCITY - FAHRPLAN II
Theater : Theater
Alexeij Sagerer fährt proT: proT fährt INTERCITY! Vierbahnentheater. Sehr geschätzte Dauer 4 Stunden!
4 MusikWaggons! 4 SpeiseWägen! 7 Schauspielerbeamte auf 4 Bahnen! Fensterplätze zum Rausschaun oder
NichtRausschaun. 840 Ausblicke! ähnliche oder verschiedene.
INTERCITY wird immer weiter formuliert, mit neuer Besetzung, neuen Fahrplänen, neuer Musik,
neuen Videos...
Er wird an den verschiedensten Orten immer wieder verändert gefahren werden und trotzdem immer
INTERCITY bleiben.
Süddeutsche Zeitung, 09. Oktober 1987, POP CORNER
Zum zweitenmal veranstaltet das proT vier Tage des Unmittelbaren Theaters.
Von Mitwoch nächster Woche bis einschließlich Samstag werden im Anschluß an das Theaterprogramm
vier Premieren in der proT-Halle neben der Alabamahalle geboten. Musikalisch wollen die Interpreten
auf die vorangegangenen Stücke Bezug nehmen. Mittwoch tritt einer der besten Posaunisten, der
Franzose Vinko Globokar auf. Titel seines Programms: "Mein Körper ist eine Posaune". Das Konzert
besteht aus Theater und Musik. Film-Projektionen und Gesang, Spiel und Sprache.
Am Donnerstag läuft auf der "Theaterbühne" der Live-Video-Dialog "Paula und Marianne"
der Münchnerin Barbara Hammann. Es ist die Auseinandersetzung zwischen den beiden Malerinnen
Paula Modersohn-Becker und Marianne von Werefkin. Im Anschluß daran tritt der Percussionist,
Poet und Performer Sven-Ake Johansson auf. "Meine theatralische Komponente", so sagte einmal
der Schwede, "resultiert aus dem Prozeß des Musikmachens." Das Verhältnis Mensch/Musik
werde bei einem Schlagzeuger besonders deutlich. Auf was dann letztlich geschlagen werde,
sei völlig gleich. Der Fundus reicht bei ihm von Plastikschälchen bis zum Telephonbuch.
Der Rhythmus und die ständigen Tempiwechsel bringen das Umfeld zum Klingen.
Am Freitagabend spielt dann der Frankfurter Jazzer Rüdiger Carl Akkordeon, Ziehharmonika,
Klarinette und Saxophon. Am Samstag nächster Woche tritt zum Abschluß in der proT-Halle
Kevin Coyne auf.
Wolfgang Stegers
1985 - 1987 - Intercity
Vierbahnentheater - Fahrplan I
proT-Halle, Schleißheimerstraße 418, München. UA 31. Dezember 1985
Vierbahnentheater - Fahrplan II
proT-Halle, Schleißheimerstraße 418, München. Premiere 14. Oktober 1987
bei "Die Vier Tage des Unmittelbaren Theaters II"
Intercity entsteht im Anschluss an die Produktion proT mit Satie. Für proT mit Satie
werden parallel zur Musik "Vexations" von Erik Satie Intensitäten entwickelt. Diese Intensitäten
werden von sieben Akteuren unter dem Namen "Endlostheater" hergestellt. Dieses "Endlostheater"
wird für die folgende proT-Produktion Intercity weiterentwickelt und mit einer von vier Musikern
für Intercity produzierten proT-Musik verbunden.
Sowohl das Endlostheater als auch die proT-Musik folgen einem eigenen
"Fahrplan" (Ablauf), der mit der Zahl 840 und der Anzahl der Akteure (7) und Musiker (4) komponiert ist.
Intercity - Fahrplan II - 1987
TheaterDoku - VHS - Farbe/Ton - 00:32:47 Std. - proT-Halle 1987
Intercity entsteht im Anschluss an die Produktion
proT mit Satie.
Die TheaterDoku
Intercity - Fahrplan II - 1987 gibt Einblick in das Theaterprojekt
"Intercity - Fahrplan II" von Alexeij Sagerer am 14. und 17. Oktober 1987 in der proT-Halle,
Schleißheimerstraße 418, München.
7 Akteure spielen nach Fahrplan auf 4 Bahnen insgesamt 28 einminütige
szenische Arbeiten mit verschiedenen Intensitäten, jeweils 30 mal. Davon hat jeder
Akteur eine Auswahl von 12 verschiedenen Intenstitäten, die er jeweils in einem
10er-Block spielt. Jeder Akteur spielt damit 120 Einheiten. Jede Intensität kann dabei
auf jede Intensität treffen. Entsprechend dazu arbeiten vier Musiker mit 28 verschiedenen
einminütigen Musikintensitäten.
Sowohl das Endlostheater als auch die proT-Musik folgen einem eigenen
"Fahrplan" (Ablauf), der mit der Zahl 840 und der Anzahl der Akteure (7) und Musiker (4) komponiert ist.
Geschätzte Dauer 4 Stunden.
Akteure: Werner Eckl, Susanne Stiefvater, Göttin Gala, Sonja Breuer, Gerlinde Eger, Imke Toksoez,
Franz Lenniger.
Musiker: Werner Aldinger, Hans Lechner, Cornelia Meliàn, Cornelie Müller.
TheaterDoku: Andreas Tröger für proT.
(...) Vier schmale Bühnenpodeste hatte Sagerer in seine proT-Halle gebaut, Auftritte für sieben Darsteller,
die jeweils vier Rollen - Minidramen, Szenensegmente aus früheren Sagerer-Produktionen - an die Rampe zu
spielen haben, in wechselnden Kombinationen, auf wechselnden "Bahnen". 840 verschiedene Einstellungen
werden durchgespielt, die Wiederholungen der einzelnen Auftritte sind von bestechender Präzision:
am schönsten, wie Franz Lenniger immer wieder in einem brennenden Buch liest, wie Susanne Stiefvater
aus einem Schnapsfläschchen trinkt, Gerlinde Eger als Ballett-Tänzerin erschöpft zusammensinkt.
Kein Stück also, sondern flüchtige, ständig changierende Impressionen, die zusammengehalten werden durch
eine vorantreibende Musik- und Toncollage, durch romantische Lieder (gesungen von Cornelie Müller, am
Klavier begleitet von Karin Deckwitz) und Percussion-Klänge (von Colin Gilder und Musikern vom "Tape"-Theater).
Ein synthetisches, ein mathematisches Spiel ist dieses "Intercity-Vierbahnen-Theater", das Sagerer am Mischpult
für Licht und Ton in Gang und Rhythmus hält. Ein Kopfspiel also mit den Theaterelementen, aus denen sich der
Zuschauer, so lange er will, seine Geschichten zusammenstellen kann. Wenn er sich sattgesehen und -gehört
hat, kann er sich in den "Speisewagen" zurückziehen, um sich für weitere Sagerer-Abenteuer mit Tafelspitz
und Gemüseauflauf zu stärken oder in einer Ecke der Halle Video-Bänder aus älteren Sagerer-Aufführungen
zu Gemüte führen. Noch einmal will der eifrige und wahrhafte Volkstheatervorkämpfer sein "Intercity"-Spektakel
wiederholen (am 5. Januar). Eigentlich schade, daß er diesen Zug nicht öfter fahren läßt, denn in der proT-Halle
kann man während dieser Reise für sich und ganz ohne Zwang das Theatererlebnis holen, das man will.
Thomas Thieringer, Süddeutsche Zeitung, 4./5./6. Januar 1986
Unmittelbare Musik - proT-Halle
Vier Solokonzerte
Abendzeitung, 08. Oktober 1987
Körperteil Posaune
"Wo die Wildsau ihr Sausein austrägt, trägt das Hausschwein Schnitzel."
Genauso wie Sagerers "proT" das Verhältnis des "Unmittelbaren Theaters" zum
etablierten Theater "schweinisch" beschreibt, so sei es auch mit der Musik.
In der Konzertreihe zu den "Vier Tagen des Unmittelbaren Theaters" vom 14. bis 17.10.
(22.30 Uhr) zeigen Vinko Globokar, Sven-Ake Johansson, Rüdiger Carl und Kevin Coyne,
wie sich das anhört (neben der Alabama-Halle).
Jeweils nach den Theateraufführungen kommt die Musik-Performance zum Zug.
14. Oktober
Vinko Globokar (Frankreich)
MEIN KÖRPER IST EINE POSAUNE GEWORDEN
Theater - Musik mit Aktionen, mit Film-Projektion, mit Gesang, mit Spiel, mit Sprechen.
Werke von Wyttenbach, Kagel, Berio und Globokar.
(...) Posaunist Vinko Globokar versucht am 14.10., die Einheit von Mensch und Instrument
zu erreichen. Sein seit Jahren gewachsenes und verwandeltes Stück zeigt die Posaune
als "Verlängerung des Körpers". (...)
15. Oktober
Sven Ake Johansson (Schweden)
PERCUSSIONIST, POET, PERFORMER
Die theatralische Komponente resultiert aus dem Prozess des Musikmachens.
(...) Bei ihm als Schlagzeuger ergebe sich das theatralische
Element von selbst, meint
Sven-Ake Johansson, durch die Bewegung (15.10.). Der Wahl-Berliner, Percussionist, Poet
und Performer, hat Hard-Bop-Jazz getrommelt und erzeugt jetzt seine Geräusche weit
unkonventioneller. (...)
16. Oktober
Rüdiger Carl (Frankfurt)
AKKORDEON, ZIEHHARMONIKA, KLARINETTE, SAXOPHON
(...) Johanssons häufiger Partner Rüdiger Carl kommt dagegen als Saxophonist eher vom Free-Jazz,
hat sich aber auch in das Akkordeon hineingedacht und stellt das Eigenleben der
Quetschkommode am 16.10. vor. (...)
17. Oktober
Kevin Coyne (GB)
BURSTING BUBBLES
dialogues and songs
special guest: Stefanie Hecht
(...) Als bissiger Rock-Entertainer hat der Brite Kevin Coyne einen Namen. Handfeste
Mann-Frau-Probleme stellt er in Songs und Dialogen mit seiner Freundin Stefanie Hecht
vor (17.10.), unmittelbar eben. (nn)
TEMPO MÜNCHEN, Nr. 4 / Mai 1986
Vier Tage Theater total
Unmittelbares Theater und domestiziertes Theater sind wie Wildsau und Hausschwein.
Wo die eine ihr Sausein austrägt, trägt das andere Schnitzel. Sagt Alexeij Sagerer, "Tieger" in der
Wüste der Konventionen. "Besser besessen als tot!"
Ein Quirl wird Theater. Eine Motorsäge wird Theater. Schweine, Licht, Video, Musik, Sprache und
Bilder über Bilder gehören zum Theater. Zumindest zum Prozessionstheater des Kulturquerulanten
Alexeij Sagerer. "Alles, was sich bewegt, bewegt sich", definiert er es unter anderem in seinem Manifest.
Zur handlichen Erhellung trägt das nicht unbedingt bei. Wieso auch. Alexeij Sagerer ist intellektuell,
abgehoben, dialektisch, dialektal, multimedial, humorvoll, ferkelnd und provokant. Alles auf einmal,
aber er will nur eins: das Unmittelbare.
"Das konventionelle Theater simuliert schon wieder Theater", sagt Sagerer. Es lügt, es serviert
Geschichten mit Anfang, Ende und Moral - Kontakt zu sich und dem Publikum habe es nicht, nicht wirklich.
Das ist wie mit der Kirche. Sie weckt das Gefühl, manipuliert es und verrät es. Sie zerstört die
Intensität, führt den Gläubigen in die Irre und läßt ihn im Stich.
"Oh, oh, Maiandacht" nennt Alexeij Sagerer sein neuestes Stück, das das proT während der
"Vier Tage des Unmittelbaren Theaters" aufführen wird. Dabei geht es um die genannten Dinge, um das
"Verständnis der existentiellen Bedürfnisse und Zustände". Wie das ausschaut und wo das hinführt?
"Wir brauchen kein Ziel um zu arbeiten. Vielleicht im Sinne von Erlösung, Loslösung,
von Zielsetzung nicht."
Alexeij Sagerer findet immer Möglichkeiten, alte Worte neu zu formulieren, das gängige Verständnis
mit grundsätzlichen Inhalten aufzufüllen. Er zeigt, wie man mit wenigen Sätzen, rein formaler Konstruktion,
einen Menschen abgrundtief verunsichert, er schreibt Texte, die Abstraktes nicht erklären sondern
spürbar machen. Und er tut es mit Inbrunst.
Alexeij Sagerer ist der "Tieger von Äschnapur"., ein Wesen, das er schon seit Jahren immer wieder neu
präsentiert. Das Publikum besteht aus zahllosen, eingeschüchterten und resignierten Tiegerjägern,
"die, wo alle zu Gefängniswärtern geworden sind". Und er sitzt in der Zelle, will raus und beginnt
daher zu handeln. "Und da sag ich mir, da feierst einfach eine Messe ..." - "a... mir ist
es zu langweilig, Fips".
Prozessionstheater ist nie langweilig, aber eingängig auch nicht. Auf den Bildschirmwänden
wechseln die Szenen, gegen die Musik ist Stockhausen ein Waisenkind. "Das Licht ist schon Handlung."
Die Bewegungen der Schauspieler sind unvermittelt plötzlich, abrupt. Die Sprache formt keine Story.
Nichts ist vorhersehbar, nirgends der rote Faden mit Wiedererkennungseffekt, an dem man sich sicher
entlanghangeln könnte. Nichts kommt wie erwartet, sondern stets verquer von einer ganz anderen Seite,
direkt und - unmittelbar.
"Was wollts denn wirklich sehn, mein Arschloch oder was wollts denn sehn oder wia ich mich ausziag
umananda zuck oder was". Das mit der allgemeinen Erwartungshaltung ist ärgerlich. Mitleid, Wissen,
selbstgefälliges Beipflichten - all die Dinge, mit denen sich ein Publikum unbehelligt im Dunkel
herumdrücken und rauswinden kann - sind nicht gefragt. Passiver Voyeurismus, oder die während
der falschen Geschichte, mitgeheulte falsche Träne - wozu?
Der Zuschauer im proT trifft auf Wirklichkeit, auf selbstverfaßte Texte, erlebte Emotionen und Kunst.
Auf eine neue Kunst-Wirklichkeit, die gewohnte Zusammenhänge aufreißt, um die Lust schlechthin -
aus Kopf und Bauch - wieder zum Platzen zu bringen. Normal ist gar nichts, hier nicht.
(Das Normale muß hier Wahnsinn wittern.) Sprüche?
Konkret wird es vom 7. bis 10. Mai in der proT-Halle. Schleißheimerstraße 418. Mit dabei sind
das Tape-Theater von Colin Gilder("Magic, isn't it!") mit "No plays" und der minimal club
("Alles hat Funktionen") mit "die zukünftige frau des sohnes 1954" nach einer Zeichnung von
Joseph Beuys.
Unmittelbare Musik spielen die Schweizer Stephan Wittwer (E-Gitarre) und Martin Schütz
(Bass & Cello) am 8.5., Andrea Centazzo (Percussion & Schlagzeug) aus Italien und Peter Frohmader
(Elektronik & Bass) aus München am 9.5., und "Pöhl Musik" aus dem Ruhrgebiet versuchen den
"Einbruch in die Klangstille" am 10. Mai.
(...)
Karen Cop
Die proT-Halle.
Unmittelbares Theater, letzte Tiegerspuren, Abbruch ...
1983 - 1988
1983 holt sich das proT die proT-Halle, Schleißheimerstraße 418, München.
In der proT-Halle und für die proT-Halle
entsteht 1986 die Urform
von oh, oh Maiandacht für Die Vier Tage des Unmittelbaren Theaters,
die das proT 1986/1987 in der proT-Halle veranstaltet.
Weitere entscheidende Produktionen, die aus der proT-Halle entstehen, sind unter anderem
proT mit Satie (1985) und Intercity (1987).
Mit den 7 Exorzismen, Das Stärkste TierSpielSpur und dem Abriss der proT-Halle mit Musik
im April 1988 enden die letzten Tiegerspuren.
Samstag/Sonntag, 03./04. August 2024
Der freie Radikale des Theaters
Alexeij Sagerer, Münchens eigenwilligster und widerborstigster Theatermacher
wird 80. Eine kleine Verneigung.
München - Plattling. Dort wurde Alexeij Sagerer am 4. August 1944 geboren. Herkunft prägt.
Zwei Beispiele aus Jahrzehnten: Knapp 50 Jahre nach seiner Geburt erfand Sagerer zwei theatrale
Solovorgänge, "Didawischifeischono" (dich erwische ich schon noch) und den "Tanz in die Lederhose".
Zwei infernalische Darbietungen, die zusammenbrächen, stockten sie nur für einen Moment. Der erste
ist das Wort allein, kehlig, kräftig, strudelig, bedrohlich, aber auch zart. Wiederholung, Wandlung,
bis zur Erschöpfung. Der zweite ist das, was der Titel sagt. Sagerer zieht Hose und Hemd aus, Zoro
Babel trommelt einen Walzer, Sagerer hüpft und tanzt, die Lederhose in den Händen. Die Bewegung
darf nicht abreißen, aber es ist nicht leicht, dabei in die Lederhose zu kommen. Die furchterregende
Energie findet ihren Trost in der Abnutzung des Körpers. Sagerer, schließlich in Lederhose, sinkt
in einen gepolsterten Stuhl. Bier.
Sagerers eigenes Postulat der Unabhängigkeit kostete ihn die Förderung
Zu diesem Zeitpunkt war Alexeij Sagerer schon eine Theaterlegende in München. 1968 hatte er seinen
ersten Auftritt in München, 1969 gründete er das proT, der Keller in der Isabellastraße 40 wurde
zu einem heiligen Ort für unkorrumpierbare, wilde Kunst. Von dort aus eroberte Sagerer die Stadt,
spielte im Tierpark Hellabrunn, verlassenen Industrieanlagen, in der Muffathalle. Dort fand eine
seiner schönsten Arbeiten statt, "Das OR-05", 28. Januar 2006. Die Halle war leer, vollkommen. Und
auch vollkommen dunkel. Und vollkommen mit weißem Streusalz ausgestreut, aber das sah man erst
einmal nicht. Von 18.28 Uhr an wurde sie heller. Sehr langsam. Um 21.44 Uhr war sie gleißend hell.
Und sehr warm. Das Salz strahlt Wärme ab. Ein reiner Vorgang, ein Bild, ein Gleichnis, vor allem
aber eine Erfahrung blanker Sinnlichkeit. Keine Erklärung notwendig.
Nie ließ er sich vereinnahmen. Als 2005 die Kammerspiele anfragten, beschied der denen,
"Institute produzieren Institution, und in gewisser Weise ist das auch richtig so. Aber richtig ist
auch, dass die Institution kein Ziel meiner Theaterarbeit ist." Lieber baute er Projekte über Jahre
zusammen, den "Tieger von Äschnapur" oder das "Nibelungen & Deutschland Projekt", politisches Theater
sicherlich, aber nicht als mögliche Anweisung zum Handeln. Das Publikum muss die Bedeutung des
Gesehenen oder Erlebten schon selbst bestimmen, da hilft ihm keiner; es soll die Stücke sehen und
nicht auf Erklärungen warten, denn dieses Warten behindert die Wahrnehmung. Sagerer erfand das
"unmittelbare Theater". Und unmittelbar heißt, es verfolgt keinen anderen Zweck, als zu passieren.
Es ist wie bei einer Berührung, die keine Absicht hat. Und deshalb fantastisch sein kann.
Nicht pädagogisch, nicht didaktisch, aber eben fantastisch.
Und natürlich voller Spleens. Zahlen zum Beispiel sind immer wichtig, verschrobene Zahlenverhältnisse,
die den Ablauf, der schon mal ein paar Stunden dauern kann, strukturieren. Oder, während einer
Aufführung im Ampere der Muffathalle, eine Live-Schaltung in Oppe’s Bistro im oberpfälzischen Floß
zu sechs Trinkern, die etwas von ihrem Treiben verstehen, aus ihrer heiligen Andacht erwachen, die
Jukebox entdecken und "Guardian Angel" singen.
Sagerers eigenes Postulat der Unabhängigkeit kostete ihn die Förderung, obwohl er eigentlich ein
Denkmal vor dem Kulturreferat verdient hätte, bei aller Widersprüchlichkeit seiner Person und seines
Handelns. Immer postulierte er das Außen – schon mit dem Begriff freie Szene kann Sagerer nichts
anfangen. Er ist das freie Radikal. Und jetzt ist er 80. Kein Alter für einen aus Plattling.
EGBERT THOLL
Lust auf proT
proTshortcuts auf Youtube
proT-shortcuts sind intensive Film-Ausschnitte von oder mit proT:
Theaterdokumentationen, live-film, Unmittelbarer Film ... oder
kurze proT-Filme wie Film-Comics, Vorfilme, Werbefilme ...
Die 11.000 Euro Kanne
BLAU
Am 28. Juni 2024 verkauft das proT für 11.000 Euro die signierte Alexeij Sagerer Kanne BLAU.
Und die Blaue 11.000 Euro Kanne vertritt die Organisationshoheit des proT und spricht!
Alles sind Konsistenzebenen und Kompositionen und dabei arbeitet die Lebendigkeit mit der Einmaligkeit
und jede dieser einmaligen Konsistenzebenen entsteht in einem Prozess durch Prozessionstheater
und jetzt erscheint das Theater des Aussen und es kommt ungefragt und unberechenbar und nur so entsteht es,
das Unmittelbare Theater.
Die 11.000 Euro Kanne in BLAU ist Unmittelbares Theater.
Sie propagiert nicht das
Andere, sondern sie ist das Andere.
Die Alexeij Sagerer Kanne BLAU steht für die Präsenz des proT und für die Entwicklung der
proT-homepage als eigenständiges Projekt.
Möglicherweise stellt sie das proT-Archiv vor.
Und spielt mit der Vorstellung von
"Das Unmittelbare Theaterblut aus der Penisvene" als proT-Produktion.
Die 7000 Euro Kanne
ROT
Am 7. Mai 2023 verkauft das proT für exakt 7000 Euro die erste Alexeij Sagerer Kanne.
Die Kanne ist ROT
und signiert mit AS 2023.
Der Beginn:
Die 7000 Euro Kanne steht voll hinter proT und der Arbeit von Alexeij Sagerer.
Pfingsten 2023, die Kanne beginnt zu sprechen und wird auch gehört.
Die 7000 Euro Kanne
ROT
Fortsetzung 1
Vor etwa einem Jahr - im Mai 2022 - es ist die Zeit um die Eröffnung der Ausstellung
"Die Lust am anderen Theater" (freie darstellende Künste in München) des Deutschen Theatermuseums,
leitende Kuratorin: Birgit Pargner, wird offensichtlich versucht, von angelernten Theatermachern
und Kulturverwaltern durch "üble Nachrede" Unsicherheit über die Arbeit des proT und Alexeij Sagerer zu
streuen. Dabei fallen Namen wie Ute Gröbel, Benno Heisel oder Michael Ott als Autoren.
Personen, die offensichtlich ihre Rolle als relevante Kunstkritiker und Theatererkenner masslos überschätzen.
Dazu versichert die 7000 Euro Kanne allen Interessierten hier verbindlich:
Niemand, der die Arbeit von Alexeij Sagerer (oder irgendjemand anderem) schätzt, muss sich vorher bei
Gröbel, Heisel oder Ott die Berechtigung oder den Segen dazu einholen.
Hierzu präsentiert die Kanne auch einen kurzen Ausschnitt aus unserer Präsentation
der Ausstellung im Deutschen Theatermuseum vom 04.05.-31.07.2022:

Alexeij Sagerer spielt mit seinem proT (Prozessionstheater) verrückt, phantastisch, radikal monomanisch.
Da treibt einer Theaterbilder aus sich heraus, chaotisch perfektionierte, frech verhöhnende, schön komische,
sucht Worte dazu, aber unter dem Druck der kunstvollen Anstrengung mißraten sie zu einem erschütternden
Gestammel: über Theater, das durch Subventionen konsumierbar gemacht wird, ist kaum mehr etwas Treffendes
zu sagen. Sagerer rennt mit einem von Mal zu Mal grimmiger werdenden Mut in seine Stückanfänge -- über die
er nicht hinauskommt, nicht hinauskommen will, denn sonst geriete er in dramatische Zwänge, unter denen sich
alles so leicht erklären läßt: Er zerreißt seine Zuschauer gerne -- wie in seinem neuesten "Tieger von
Äschnapur"-Programm -- in diesem Möcht'-gern-was-nach-Hause-tragen-Bemühen; rechts zeigt er dem wie für
eine Beschwörung sich gegenübersitzenden Publikum den brennenden "göttlichen Osterhasen"(aus Achternbusch),
sich selbst dann als fanatisch durch den Wald rasenden Sandbahnfahrer, und links wirft er die alle
Interpretation ad absurdum führenden Kommentare an die Wand, während der Alleindarsteller Sagerer im
Wilderer-/Jägerkostüm fasziniert den Gang des Sekundenzeigers verfolgt: Sagerer, der "permanente"
Tiegerjäger, der die bei Erfolg versprochene Prinzessin weiter denn je aus den Augen verloren hat. Oder ist
dieser entsetzensvolle Kreuzigungsgang -- Sagerer macht ja Prozessionstheater -- wo man ihm das "Just married"
ins Rückgrat gehauen hat, auch anders zu deuten (?!) --, daß er nämlich seine Prinzessin
-- unglücklicherweise -- gewonnen hat.
Seit Anfang 1977, seit seiner ersten "Tieger von Äschnapur"-Prozession ("Ich bin die letzte Prinzessin
aus Niederbayern") rennt er seinem Jagdglück und dieser seiner Theater-Dulcinea nach, durch dick und dünn
-- will sagen, volkstheaterkomisch und multimedial überspannt: Heute, bei seinem vierten "Tieger"-Lauf
(der nullte wird mitgezählt) ist Sagerer grimmiger, radikaler und präziser in seiner Auseinandersetzung
mit dem Theater als je zuvor. Den absurden Volkstheaterzauber -- den sein "Ensemble" so wunderbar
augenrollend-dumpf beherrschte -- hat er sich mehr und mehr verkniffen und seine Theatergruppe hat er
bis auf sich selbst abgebaut -- "Ich bin imbrünstig mein Alexeij Sagerer" nennt er ja deshalb diese
Prozessionstheater-Folge -- wohl auch, um auf die, der Kunst gewiß nicht dienlichen
Organisations-Subventions-Methode des neuen Stadtrats aufmerksam zu machen.
Sagerer verweigert sich dieser durch Aufwand zähmenden Vereinnahmung: Das freie Münchner Theater
(die unabhängigen Bühnen) seien nicht entstanden, um nun mit angeblich das Überleben in Unabhängigkeit
garantierenden Subventionen in Unfreiheit (die Gunst von Gönnern) zu geraten. Er ist auch nicht bereit,
als Theaterlückenbüßer gegängelt zu werden und wehrt sich nun mit einem anarchistisch verspielten Mut zur
selbständigen Theaterkunst. Theaterlücken, die durch ein fehlendes Volkstheater bestehen, sollen auf
keinen Fall geschlossen, sondern zum "Durchsteigen benützt werden -- sagt und schreibt er -- oder wenigstens
zum Durchschauen." Er will jedenfalls nicht "eingemauert" werden, will den Durchblick offen halten: Sein
"Ich bin imbrünstig mein Alexeij Sagerer" ist radikales Total-Theater über das Theater, ist, unter dem
Titel einer monomanischen Selbstbeschränkung, der Kampf gegen die Windmühlen theatralischer Eitelkeiten.
Am Anfang kämpft er noch mit seiner grausam-komischen, oft ins Häßliche verliebten Phantasie: Da läßt er
einen "kleinen Wassersack", auch als Wärmflaschen bekannt, von der Wand herunter eine köstlich auf
Bedeutung getrimmte Blubberredearie "singen"; die windet sich, bäumt sich auf, plustert und plappert
und schlägt einfach ihr Wasser ab, so daß Herkules Sagerer diesen Theaterstall mit wunderlich
quietschenden Plastikschneeflocken auszumisten hat. Doch alle Kunstanstrengung will nichts nützen.
Am Ende nach einer offen-bacchiadischen, von Alltagslärm martialisch gefährdeten Posaunerei, liegt
Sagerers Tiegerjäger mit vor Anstrengung zerstörtem, schweißnassem Gesicht erschöpft "im Bett", über sich,
übermächtig (als Film), an die Wand geworfen fast zwei Dutzend Münchner Theaterleiter bei ihren
Interviewversuchen, sich auf Sagerers Fragen über ihr Theaterverständnis zu äußern; mit einem reinen,
weißen Damastband knüpft Sagerer schließlich die Brücke zum blubbernden Beginn ...
Das Theater des Aussen kann nicht durch Theatervereine begriffen werden und schon gar nicht durch die
ewiggestrigen Angeber, die behaupten "Gebt mir 10 oder 100 Millionen und ich mache euch das Theater der Zukunft".
Wer meint, heute schon das Theater von morgen zu kennen, macht lediglich das Theater von gestern.