Von der Möglichkeit, ausserhalb des Systems zu stehen.
Ein Interview mit Alexeij Sagerer geführt von Anke Bitter
Jahrzehntelang hast du Jahr für Jahr Subventionen der Stadt beantragt und damit weite
Teile deiner Theaterarbeit finanziert. Seit 2016 machst du das nicht mehr. Was ist das?
Eine Art "Hungerstreik"? Eine Befreiung?
Für mich geht es nicht um einen Protest, auch nicht um Freiheit, sondern um Konsequenz:
Die Behörde Kulturreferat hat ihre Offenheit verloren. Vielleicht wollte sie das, vielleicht
ist sie zufrieden damit, vielleicht ist es ihr auch nur passiert. Keine Ahnung.
Das Nichtstellen des Antrages ist auf jeden Fall eine Handlung, die zeigt, dass in der
gegenwärtigen Stadtpolitik diese Offenheit gegenüber einem anderen Theater, einer Kunst
jenseits der Institutionen, nicht mehr da ist.
Man muss sehen, dass die Förderung des freien Theaters ja eigentlich gar keine Erfindung
der Stadt ist, das heißt, sie geht nicht von einer ursprünglichen Initiative des Kulturreferates
aus. Der Ausgangspunkt – Ende sechziger, Anfang siebziger Jahre ....– war nicht das
Kulturreferat, das eines Tages gesagt hat, uns fehlt da irgendwas in der Theaterlandschaft.
Die Stadt dachte, dass alles, was sie über den relevanten Begriff Theater wusste, über die
Institutionen abgedeckt war. Doch das andere Theater, das Theater des Außen – außerhalb der
Institutionen und Referate, also außerhalb der staatlichen Kontrolle – war plötzlich da und
fand statt. Dadurch übte es Druck auf die offizielle Stadtverwaltung aus. Und dadurch
entstand diese spezielle Subvention, die man damals Subvention der Privattheater nannte.
Jetzt scheint man wieder den Sack zumachen zu wollen, indem man versucht das Außerhalb zu
vereinnahmen, es zur Sache der Institutionen und des Referates zu machen. Mir geht es darum,
das andere Theater stattfinden zu lassen – egal in welcher Dimension. Wenn ich dabei einen
Partner in der Stadt habe, dann kann ich mit ihm diesen Weg gehen. Aber wenn der Partner
diese Bewegung nicht mehr haben will, dann kann ich auch dieses Theater nicht mehr mit ihm
machen. Wenn also heute die Situation so ist, dass man beim Kulturreferat nur noch das
subventioniert, was man unter Kontrolle hat, was man kennt, dessen Verlauf man von vornherein
weiß, wenn die Stadt keine Freude mehr hat an dem anderen Theater, dem Theater jenseits der
Institutionen, wenn sie keine Freude mehr hat an der nicht berechenbaren Bewegung eines
Künstlers, dann muss der unabhängige Künstler seine Konsequenzen ziehen. Und das heißt:
Er muss ohne die Behörde zu seinen Sachen kommen.
Bei der Süddeutschen Zeitung hat man das wohl etwas anders verstanden: Elisabeth Fischer
schrieb dort kürzlich – ich zitiere hier wörtlich: "Er [Sagerer] kriegt seit zehn Jahren
kein städtisches Geld mehr, seit der Antrag für sein Stück "Reine Pornografie" abgelehnt
wurde. Trotzdem reichte er Jahr für Jahr einen Förderantrag ein, um der Bestätigung willen,
abgelehnt zu werden."
Ja, ich finde das schon interessant, dass in der Süddeutschen Zeitung plötzlich Sätze
stehen, die einfach nicht wahr sind. Und ich glaube, es ist hier schon notwendig, mit
exakten Zahlen zu arbeiten; wobei es hier nicht um die Zahlen geht, sondern um zwei
völlig verschiedene Bilder beziehungsweise um zwei völlig verschiedene Bewegungen oder
Kräfte, die durch diese Zahlen entstehen. Also, meine Arbeit wurde über vierzig Jahren
von der Stadt gefördert. In all der Zeit konnte ich mit den Geldern frei arbeiten. Dabei
sind – das möchte ich betonen, damit hier keine Missverständnisse aufkommen – die Gelder
immer bis auf den letzten Cent ganz korrekt und penibel abgerechnet worden. Diese
Vorgehensweise ist von keiner Seite jemals in Frage gestellt worden. Dann ist das
Kulturreferat eines Tages im Jahr 2006 an mich herangetreten, kurz vor der ersten
Aufführung eines geförderten Projektes, um mich zu "warnen". Man hat mich im letzten
Moment gefragt, ob ich auf die Aufführung dieser Produktion mit dem Titel "Reine
Pornografie" nicht verzichten wolle, immerhin gehe es hier um städtische Subventionen.
Im folgenden Jahr [d.i. der Projektantrag "Göttliches Trinken" für 2007 ] hab ich dann –
ohne Kommentar von Seiten des Kulturreferates – das erste Mal seit all der Zeit keine
Subvention bekommen. Das kann reiner Zufall gewesen sein, das mag andere Gründe gehabt
haben .... Was da zusammengetroffen ist, ist nicht ganz klar. .... Aber für die
Produktionen der folgenden Jahre – "Reines Trinken" (2008), "Voressen" (2009),
"Allerweltsmahl" (2010), "Weisses Fleisch" (2011) und "Ein Gott Eine Frau Ein Dollar" (2012)
– hab ich wieder Subventionen bekommen. Erst im Jahr 2013 – bei meinem Antrag für das
Projekt "Der Tod und das Mädchen" – wurden die Subventionen wieder gestoppt.
Dieser Moment war dann ein Wendepunkt für dich?
Ja, an diesem Punkt begann ich die Motivation der Behörden ernsthaft zu hinterfragen.
Ob sie dort wirklich noch diese Konsequenz, mit der ich arbeite, haben wollen. Zumindest
überlege ich seit dieser Erfahrung, ob und wie ich weiterhin mit den städtischen
Subventionen umgehen will. Ich begann mir vorzustellen, wie ich ohne Subventionen überleben
könnte. Denn vielleicht geht es gar nicht um meine Arbeit, sondern die Kulturpolitik hat
andere Pläne mit ihren Subventionen. Dann hab ich gesagt. Gut. Dann mache ich das in den
nächsten Jahren zum Gag der Theatergeschichte: Ich stelle bis zu meinem Lebensende immer
diesen Antrag mit dem Tod – dem toten Oppenauer – und den Frauen. Und so stelle ich also
den Antrag 2013 – und bekomme keine Förderung. Ich stelle denselben Antrag für das Jahr
2014 – und bekomme keine Förderung. Ich stelle den gleichen Antrag auch für 2015 ...
und plötzlich geben sie mir wieder Geld.
... und du hast dann als Reaktion darauf, für 2016 deinen Antrag auf Null Euro
Subventionen gestellt ...
Genau. Ich hätte weiter meine Anträge stellen können. Aber genau das wollte ich
nicht mehr.
Vielleicht hätten sie mich weiter subventioniert, vielleicht auch nicht, aber das
spielte für mich nun keine Rolle. Denn mir war jetzt klar geworden, dass sich die
Kulturpolitik in all den Jahren so verändert hat, dass ich meine Konsequenzen ziehen
musste. Dabei geht es sowohl um die Antragsstruktur als auch um die Projektförderstrukturen
selbst.
Die Förderung des anderen Theater, des nicht institutionalisierten Theaters war zu
Beginn eine der wenigen Subventionen, die direkt an den Künstler ging. Damals hatte ich
zumindest den Eindruck, dass nicht ein Projekt, sondern die gesamte Theaterarbeit eines
Künstlers gefördert wurde. Offensichtlich hatte man damals eine andere Vorstellung von
der Arbeit jenseits der Institutionen; dass es die Gesamtheit dieser Arbeit war, die
das jeweilige Projekt erst möglich und wirklich macht. Das heißt: der Künstler konnte –
so ist das zumindest von mir damals begriffen worden und so ist das auch immer wieder
gegenüber der Stadt formuliert worden – der Künstler konnte mit den Subventionen die
Konsequenz seiner Arbeit stärken. Darum ging es. Künstlerische Prozesse sind ja nicht
in einem strengen Sinne planbar und berechenbar; sie müssen erst stattfinden, das heißt
man weiß, was man machen wird, was man machen will, aber man weiß nicht, wie das enden
wird... wie es wird.
Man hat damals als Antragsteller erläutert, wo die eigene Arbeit herkommt, man hat erklärt,
was man vorhat und wo das hingehen könnte. Das wurde subventioniert, wenn man es für
förderungswürdig erachtet hatte bei der Stadt. Und daraus ist dann auch die konkrete
Arbeit entstanden. Ich habe für meine früheren Produktionen wie „VierVideoTurm“,
oder„Küssende Fernseher“, wie „Wattn“ oder wie die „Urmaiandacht“ nie eine so genannte
Projektförderung erhalten. Diese Arbeiten sind nicht als eingereichte Projekte entstanden,
sondern sie sind aus verschiedenen Prozessen hervorgegangen und ich hätte so gesehen
sie gar nicht als Projekt im Vorfeld projektieren, planen und organisieren können.
Sie wurden möglich, weil es damals eine solche Offenheit gab. Und genau diese Offenheit
– eine Offenheit, zu der das Kulturreferat zu Beginn in gewisser Weise gezwungen worden ist
– diese Offenheit nimmt das Kulturreferat jetzt Schritt für Schritt zurück.
Du sprichst von einem anderen Bild, das durch die Darstellung von Frau Fischer entsteht?
Das Mindeste, was man Frau Fischer ankreiden könnte, wäre, dass sie etwas hinschreibt,
was sie gar nicht weiß. Aber es scheint ihr um etwas anderes zu gehen: nicht um die
Zahlen, sondern das Bild eines Theaters außerhalb der Institutionen. Eines Theaters,
das sie plötzlich verdächtigt, nur die Hand aufhalten zu wollen, ohne etwas, was auch
immer, zu liefern. Und das Kulturreferat sorgt jetzt für Ordnung und rettet die
Steuergelder für die Institutionen. Statt gekrönter Anarchien ein vernetztes Ringelreihen
der freien Szene als weitere Institution. Dazu gibt es dann Sätze wie: "Man fordert
die bedingungslose Freiheit der Kunst ein und hält gleichzeitig die Hand auf". Und wer
bei den Plänen des Kulturreferenten nicht mitspielt sind ein paar "nicht mehr ganz
taufrische Zausel". Und da fragt man sich, was ist sie? Ist sie das Sprachrohr des
Kulturreferenten? Was läuft da? Alle haben plötzlich Visionen, alle außer den Künstlern.
Um es nochmals klar und deutlich zu sagen: Es ist etwas völlig anderes, ob jemand
keinen Antrag mehr stellt, weil er seit zehn Jahren eh kein Geld bekommt oder ob er
keinen stellt, obwohl er gerade etwas bekommen hat. Und da sind wir sehr sorgfältig,
wenn wir keinen Antrag mehr stellen. Wenn ich seit 10 Jahren sowieso kein Geld mehr
bekomme, dann wäre das lächerlich. Es geht eben nicht ums Geld. Das Gegenteil ist der
Fall. Bei der Warnung des Kulturreferates zur "Reinen Pornografie" gab es nicht einen
Moment der Überlegung von mir. In solch einem Fall muss man das Geld aufgeben, und nicht
die künstlerische Konsequenz. Macht ein Künstler das nicht so, dann, und erst dann, ist
eigentlich die gesamte Subvention herausgeschmissenes Steuergeld gewesen.
Wieso sprichst du davon, dass die Stadt keine Freude mehr habe auf das Theater jenseits
der Institutionen? Liest man die Selbstdarstellungen des Kulturreferates gewinnt man
eigentlich einen anderen Eindruck: Gerade in jüngster Zeit hat das Kulturreferat unter
der Leitung des Kulturreferenten Küppers spezifische Förderungen initiiert, die zum
Ziel haben sollen, die so genannte "Freie Szene" zu stärken und zu fördern. Man verweist
auf Initiativen wie das neue Kreativquartier, den HochX Verein etc., die gerade den
freien Künstler/die freie Künstlerin unterstützen, indem man ihn/sie zum Beispiel von
den Mühen der Organisation entlastet ...
Der Künstler muss auf seiner Organisationshoheit bestehen, er darf sie nicht in die
Hand der Kulturpolitik oder Behörde legen. Denn eine Organisation ist niemals neutral,
jede Organisation hat ein Bild von Theater und hat ein Bild davon, wie Theater entsteht,
wie der Weg zu dem Theater ist. Das heißt, wenn der Künstler sich darauf einlässt,
braucht er jetzt nur noch das scheinbar Wichtige machen, aber er wird in Wirklichkeit
kastriert; er legt sich selbst trocken. Die Organisation sollte nicht als etwas
gesehen werden, das vor aller theatralen Arbeit und unabhängig von ihr geschehen kann.
Die Organisation arbeitet immer mit, durch die Organisation entstehen die künstlerischen
Ausdrucksweisen. Was der Künstler also machen muss, ist, dass er in seinen
Produktionsprozessen Zwischenräume schafft, in denen dann neue, andere Sachen
auftauchen, die dann plötzlich das Entscheidende sind und die er dann übernehmen
kann. Aber gerade so was kann wie gesagt mit der jetzigen Struktur der Projektförderung
nicht passieren; das kann nicht geschehen, wenn die Organisation nicht mehr beim Künstler liegt.
Man kann sich schon fragen, wieso es von der Stadtpolitik gewünscht ist, mit ihren
Institutionen den ganzen relevanten Theaterbegriff abzudecken …. Offensichtlich gibt es Ängste,
dass es außerhalb etwas gibt, was nicht ihr Theater ist, was sie in Frage stellt, was ihnen
Druck macht ... Man spricht nicht offen aus, dass man das Andere nicht mehr will.
Welches Ziel verfolgt denn deiner Ansicht nach die Kulturpolitik?
Wenn man zum Beispiel sieht, wie man sich festbeißt an Vorstellungen von Mindestlohn, von
Probezeiten und Ähnlichem, die da im Spiel sind im Kulturreferat – diese Vorstellungen
gehören allesamt zu einem Theater, das in Wirklichkeit konventionelles, institutionelles
Theater ist. Die Debatte um den Mindestlohn: Plötzlich reden einige Künstler davon, dass
es nicht geht, dass sie unter dem Mindestlohn arbeiten. Und das wird dann vom Kulturreferat
dankbar aufgegriffen, das dann versucht, über Probezeiten zu kontrollieren. Die Probezeiten
spielen ja in diesen Formen unserer Arbeit überhaupt keine Rolle. Hier treffen sich
unterschiedliche Künstler und es hängt dann von dem Projekt ab, wie oft man sich da
treffen muss; und von dem einzelnen Künstler, wie wichtig es ihm ist. Unter Umständen
arbeitet man mit Leuten über Jahre an einem Projekt, tauscht sich inhaltlich aus … –
das hat überhaupt nichts mit einer Probezeit zu tun; das hat nichts mit einer gestoppten
Leistung zu tun. Es kam natürlich von diesen „angelernten Künstlern", die da plötzlich
so etwas wie Selbstausbeutung sehen in dieser Form der Zusammenarbeit. In dem Jenseits
der Institutionen, dem was ich das Außen nenne, hat das überhaupt nichts zu suchen.
Dort arbeitet man völlig anders. Man arbeitet nicht mit dieser Art von konventionellen,
angelernten Schauspielern sondern mit freien Künstlern zusammen, die sich selbst als
solche verstehen. Denen bietet man eine Ebene an, man versucht einer Kompositionsebene
Raum zu geben und macht das den Anderen klar. Da kann man keine Stunden zählen oder so
was. Natürlich versucht man Geld aufzutreiben, um alle finanziell zu entlasten, damit
sie sich auf die Sache einlassen können. Man verteilt Produktionsanteile. Das ist ein
völlig anderes Denken. Der Künstler beutet sich selbst nicht aus, sondern er versucht
seine Sache zu machen. Und er schaut, wie er diese Sache möglich machen kann. Also
sucht er nach Verbündeten, mit denen er zusammenarbeiten kann und stellt sich damit
jeglicher Öffentlichkeit.
Die Mindestlohndebatte ist nur ein Beispiel, aber auch alles andere weist auf den Versuch
hin, das andere Theater zu kontrollieren, viele kleine und eine übergeordnete Institution
„Freie Szene“ zu schaffen, und dann in das Staatstheater rüberzuschieben. Die Anträge
versuchen, die Arbeitsbereiche zu spalten in organisatorische, künstlerische, technische
Bereiche zu zerlegen. Das frühe Festlegen auf Spielorte, Mitarbeiter, Reiserouten, das
Festlegen der Probenzeiten. Die Trennung der Arbeit in aktuelle Produktion, Wiederaufnahme,
Vorbereitung, Recherche. Die Abtrennung der Infrastruktur wie Büro, permanente Arbeitsräume,
Lager von der aktuellen Produktion. Es ist ein anderes Denken, das da in die künstlerische
Arbeit hineingeht. Das ist das, was man in Wirklichkeit unter "Förderung der freien Szene"
im Kulturreferat versteht.
... Und wenn du als freier Künstler merkst, dass das nach und nach in dich hineinsickert,
dann hast du nur zwei Möglichkeiten: entweder du entscheidest dich für das Geld oder
du darfst das nicht mehr mitmachen.
Nun ist Kulturpolitik kein Wunschkonzert, wie du selbst immer sagst. Aber dennoch:
Wie stellst du dir denn eine gute Unterstützung für freie, unabhängige Künstler vor?
Es geht mir nicht darum vorzuschreiben, wer wann wie und wie lange gefördert wird.
Das ist alleine die Entscheidung der Stadt. Das Kulturreferat muss einschätzen, welcher
Künstler die Qualität mitbringt, welche Arbeit man in München haben möchte. Aber wenn
die Stadt diese andere Qualität eines wirklichen Theaters des Außen haben will, dann
muss sie die Infrastruktur und Räume der freien Künstler in der Förderung respektieren.
Sie muss deren Eigenständigkeit respektieren, sie muss ihre Unabhängigkeit und Autonomie
wollen und unterstützen.
So wie die Situation jetzt aussieht, was die Ziele der Kulturpolitik sind, wird
am besten klar, wenn man sich den Titel der Veranstaltung im April in den Kammerspielen
auf der Zunge zergehen lässt: Wie viel Szene braucht die Stadt?
Diese Szene ist eben nicht mehr das Außen der Künstler, sondern eine weitere
Mannschaft des Kulturreferates, der Behörde; eine weitere Institution aus angelernten
Künstlern, Dramaturgen, Kuratoren und Kulturmachern. So als hätte das Kulturreferat
einen Haufen Szene in der Tasche und muss jetzt nur überlegen, wie viel es rauslässt.
... Die Behörde betreibt dann nicht nur das Riesenrad mit den austauschbaren Intendanten
der Großinstitutionen mit seinen vergoldeten Gondeln, sondern auch noch das austauschbare,
karge Ringelspiel der 'freien Szenen'.
Richtiger Weise findet diese Diskussion nicht im Außen sondern in den Kammerspielen
statt. Es findet hier nichts Anderes statt als die Vereinnahmung einer Subvention für
Prozesse von Künstlern außerhalb der Institutionen zugunsten des Theaters des Staates.
– Vorbereitet durch viele kleine Gehässigkeiten: "Die Subvention ist doch keine Rente"
( – was eigentlich niemand behauptet hatte); der Interviewer frägt: "Ist die Szene
nicht hartleibig?" und der Kulturreferent antwortet: "Ja, die Szene in München ist
etwas hartleibig" ... In dieser Behörde ist offensichtlich keine Vorstellung eines
Außen mehr vorhanden. Hier geht es um Plätze innerhalb des Kulturbetriebes und nicht
um die Bewegung vor der Institution.
Am 31. Dezember 1975 hab ich den Prolog für die "Bergcomics" mit dem Satz beendete:
"Wenn ein System als solches, von sich aus, die Möglichkeit des
Außerhalb-des-Systems-Stehens ermöglicht, dann bleibt die Möglichkeit des
Außerhalb-des-Systems-Stehens systemimmanent." Damals war es Selbstironie –
aber heute ist gerade das Wirklichkeit geworden – das Innen, das das Außen
mitproduzieren will, das hat eben kein Außen mehr.
München, 28.05.2017