Küppersbriefe, 1. Teil


Offener Text von Alexeij Sagerer an den Kulturreferenten der LH München Dr. Hans-Georg Küppers
 
 
Anmerkungen zu einer kläglichen Veranstaltung vom 16.03.2012 im Literaturhaus genannt "Runder Tisch der Freien Theatergruppen zur Halbzeitbilanz der Förderung aktueller darstellender Kunst 2010 - 2015".
 
 
Es muss einen nicht erstaunen, dass nach einer Verteilung von Geldern für Theater-Projekte die Betroffenen, die keine Gelder bekommen haben. sich schwer tun einzusehen, warum sie nichts bekommen haben und sie würden am liebsten so lange das Verfahren für die Verteilung verändern bis sie an die Gelder kommen. Solange können wir aber nicht warten, da es leicht sein kann, dass dies nie passieren wird, denn das Geld wird ja nicht irgendwie verteilt und weil es sowieso wurscht ist, welche Projekte gefördert werden, sondern es geht hier ausschliesslich um eine Kunstförderung und eben nicht um eine Wurscht-Förderung, nicht einmal ein Bisschen.
 
Es ist also eine Qualitätsförderung und um diese zu erreichen gibt es konkrete und vereinbarte Wege. Die beiden wichtigsten Instrumente sind: 1. die Präambel zur Förderung, die festlegt, was unter dem Begriff Kunstförderung zu verstehen ist (und ich bin es leid, die Nachmittage in Round-Tables zu verbringen, die weit unter diesem Anspruch liegen) und 2. eine gewählte Jury - und zwar gewählt von einem Personenkreis, der den Anspruch dieser Kunstförderung anerkennt.
 
Die gewählte Jury muss sich aus Personen zusammensetzen, denen zuzutrauen ist, diese Präambel zu verstehen und die verpflichtet sind, deren Richtlinien auch zu befolgen. Sie bewerben sich nicht sondern sie werden berufen. Diese Jury verteilt die vorhandenen Gelder auf die eingereichten Projekte (möglichst unbeeinflusst von tagespolitischer Taktik). Eine inhaltlich kompetente und anerkannte Jury stärkt (ja ehrt) die geförderten Projekte und schützt sie gegenüber der Presse und der Politik und anderen Gelüsten. Die Mitglieder der Jury sind voneinander unabhängig.
 
Es ist eine Aufgabe des Kulturreferats, dafür zu sorgen, dass diese Richtlinien weiterhin eingehalten werden und das bisherige Verfahren geschützt wird, es sei denn es wäre nicht in Ordnung gewesen. Denn es entsteht hier plötzlich der Eindruck, als wären die Kandidaten für die jetzige Jury 1. nicht ordentlich vorgeschlagen worden, 2. ihre Kompetenz zweifelhaft und 3. die Wahl nicht ordnungsgemäss durchgeführt worden. Und als Folge daraus wären die Gelder für die Projekte bei den letzten Verteilungen nicht nach den bestehenden Qualitätskriterien verteilt worden. Falls dies so wäre, hätte das Kulturreferat die Pflicht gehabt einzuschreiten und es wäre ein Fall für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
 
Tatsächlich sind aber die Kandidaten für die Jury vom Kulturreferat auf ihre Kompetenz überprüft und die Wahl ist von Vertretern des Kulturreferats selbst durchgeführt wurden. Und nach Auskunft des Referats und auch der Stadträte, die Teil der Jury sind, ist bei der Verteilung der Projektgelder kein Künstler und sein Projekt von der Jury boykottiert worden, sondern jedes geförderte Projekt ist nach künstlerischen Qualitätskriterien ausgewählt worden. (Nach menschlichem Ermessen wurden dabei auch keine Theatergenies übersehen).
 
 
Zu obskuren Vorstellungen über Demokratie des nämlichen Round-Tables
 
Bei Versammlungen dieser Art, also bei Versammlungen der zu kurz Gekommenen, wird gerne der Eindruck erweckt, als wären die demokratischen Grundregeln verletzt worden (dies ist genreübergreifend zu beobachten). Demokratie funktioniert über Regeln und deren Einhaltung. Hier gibt es ein Verfahren, Kandidaten für die Jury vorzuschlagen und zwar nicht von irgend jemandem, sondern von einem qualifizierten Personenkreis und dies sind eben nicht unbedingt alle Antragssteller. Dies ist einfach notwendig um die Qualität der Jury zu sichern. Es dürfen nur Personen vorgeschlagen und gewählt werden, die nach künstlerischer Qualität die Gelder verteilen, wie es in der Präambel zur Förderung festgelegt ist.
 
Warum es dabei "undemokratisch" sein sollte, zu erfahren, von wem Kandidaten vorgeschlagen werden, warum es "undemokratisch" sein sollte, sich für Kandidaten, die man für kompetent und unabhängig hält, einzutreten, bleibt ein Geheimnis der zu kurz Gekommenen. Tatsächlich lebt eine Demokratie von ihrer Durchsichtigkeit. Ich möchte dabei unbedingt wissen, wer von wem vorgeschlagen wird und mit welchen Argumenten und wer und was alles für ihn spricht. Auch bei der soeben stattgefundenen Bundespräsidentenwahl wußte jeder, wer von wem vorgeschlagen wurde und wer für wen spricht.
 
Es gehört auch zum Wesen von Demokratie, dass sich möglicherweise verschiedene Richtungen und Meinungen bilden und sich in Form von lebenden Menschen gegenüber stehen. Und es ist auch keineswegs unüblich, dass die Anhänger der einen oder anderen Richtung nebeneinander sitzen und von da aus zur Wahl schreiten, sodass es nach einer Reihe von Stimmen für den einen Kandidaten zu einer Serie von Stimmen für einen anderen Kandidaten kommen kann, ohne dass eine geheime Wahl dadurch verletzt würde.
 
Woher diese beim Runden Tisch vorgeschlagenen obskuren, angeblich demokratischen Regeln stammen bleibt unklar. Es zeigt aber deutlich, wie schwer sich offensichtlich die Verlierer einer demokratischen Wahl tun, eine Niederlage zu akzeptieren und stattdessen versuchen am Wahlverfahren herumzupfuschen. Vielleicht sollte sich das Kulturreferat bei seinen eigenen Juristen kundig machen, wie obskur demokratische Wahlverfahren sein dürfen.
 
Die Idee, dass es bei der Verteilung der Subventionen tatsächlich um die künstlerische Qualität geht schien bei dieser Versammlung keine Rolle zu spielen. Kein gutes Zeichen für einen "künstlerischen Nachwuchs", dass es so scheint, als ob sich ein Künstler nicht einem öffentlichen Votum zu stellen hat sondern dass er nur lange genug an Wahlverfahren herumdoktern muss bis er dadurch irgendwann zur Anerkennung kommt. Und dass es zur künstlerischen Qualität auch gehört, diese öffentlich zu machen, dafür ist es schon gar kein Zeichen.
 
 
Zusammenfassend
 
1.
Die Subventionierung der "Freien Theatergruppen" in München ist durch eine Präambel gebunden und hat den Anspruch, eine reine Kunstförderung zu sein. Gleichzeitig schützt die Präambel diese Subvention vor dem Zugriff ganz anderer Interessen, nicht zuletzt auch vor Klagen vor Verwaltungsgerichten.
 
2.
Die Mitglieder der Theaterjury müssen dem Anspruch der Präambel gerecht werden können und werden von hier lebenden und arbeitenden, unabhängigen, souveränen Theatermachern (auch Gruppen) gewählt, die als solche sichtbar geworden sind. Es geht dabei vor allem um die Qualität der Jury. Und es geht auch um München als originären, selbstbewussten Ort für die aktuellen Künste und dessen Verhältnis zur Figur des unabhängigen Künstlers. Und um die Behauptung dieses Ortes gegenüber der Gefahr einer zunehmenden McDonaldisierung der Kunstplätze, die entsteht wenn diese Figur des unabhängigen Künstlers geschwächt wird und in den Institutionen verschwindet (und in Stundenlöhnen denkt).
 
3.
Jeder kann einen Antrag für diese Subvention stellen und die formalen Hürden für einen gültigen Antrag sind gering und nicht unüberwindlich. Und diese Offenheit ist auch wichtig und richtig. Aber es gilt auch: nicht jeder, der einen Antrag stellen kann, ist ein eigenständiger Theatermacher (bzw. Künstler) und schon gar nicht deswegen. (Und der beim Round-Table ins Spiel gebrachte Dramaturg ist eben kein selbstständiger Theatermacher, es sei denn er wäre einer und könnte seine Umwelt und die Jury davon überzeugen, dass er einer ist und eben kein Dramaturg und als solcher könnte er sich dann einen Dramaturgen für seine Arbeit suchen usw.)
 
4.
Theaterversammlungen wie die vom 16.03.2012 sind nicht in der Lage, auch nur irgendwie in die Nähe eines künstlerischen Inhaltes zu geraten und daher auch kein gutes Gremium um eine starke Jury zu wählen. Und weit davon entfernt, die Position der aktuellen Künste innerhalb der Stadtpolitik zu stärken oder irgendeinen Druck aufzubauen, damit zum Beispiel die freie Theaterarbeit an dringend benötigte neue Gelder kommen könnte. Denn dazu wäre es als erstes notwendig zu begreifen: Künstlerische Qualität ist keine Frage von Jung oder Alt sondern eine Frage der Konsequenz.
 
 
Alexeij Sagerer, proT, April 2012

 
 
 

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