rod plau krün
Erste Veröffentlichung 17. September 1982
 
 
rod plau krün - Postkarte

 
Dia von Alexeij Sagerer aus "Der Tieger von Äschnapur Zwei oder Ich bin das einzige Opfer eines Massenmordes", 1982 . Das Dia erscheint nach 251 Sekunden und ist 59 Sekunden präsent. Weitere Erscheinungsformen: als Postkarte, Regenschein Karten, Verlag Schaschko & Freund, München, 1983, bald darauf als T-Shirt und bald auch als Plakat, präsentiert zum Beispiel 2022 in der Ausstellung "Die Lust am anderen Theater" im Deutschen Theatermuseum in München.
 
 

rod plau krün
in "Dialekt • Literatur"

 
 
Christopher J. Wickham (San Antonio, Texas, USA): Auf den Punkt gebracht: Überlegungen zum Verhältnis Dialekt • Literatur, in: Ulrich Kanz/Alfred Wildfeuer/Ludwig Zehetner [Hrsg.]: Dialekt • Literatur. Beiträge zum 2. dialektologischen Symposium in Kirchdorf im Wald, April 2005, Regensburg, edition vulpes, 2007, S. 9-21, bes. S. 11f.
 
(...)
In einer Reihe von drei Aufsätzen über das Wesen des Gedichts behauptet Albrecht Holzschuh, dass in der deutschen Dichtung der heutigen Zeit Formkriterien allein genügen, um zu bestimmen, was ein Gedicht ist. Es muss kurz (nicht länger als zwei Seiten) sein, in kurzen Zeilen geschrieben bzw. gedruckt sein und ist primär ein schriftlicher Gegenstand: "Die Sprache der Dichtung ... ist optisch" (Holzschuh 1998a, 126-130). Diese rein äußerlichen, bewusst provokativen Kriterien reichen nach Holzschuh aus, um fast hundert Prozent der gegenwärtigen Gedichtproduktion als solche zu indentifizieren. Selbstverständlich gibt es auch andere Textsorten, die keine Gedichte sind, die diese Bestimmungen erfüllen, etwas Speisekarten, Einkaufslisten oder die Aufstellung einer Fußballmannschaft (Holzschuh 1998a, 124). Aber auch solche prä-existenten Texte könnten zu Gedichten werden, wenn sie als solche gelesen werden, d.h. wenn ein Dichter oder Herausgeber sie in einer Gedichtsammlung vorlegt oder wenn ein Leser sie mit den Erwartungen genießt, die er sonst nur Gedichten entgegenbringt. Wie fügt sich das Element "Dialekt" in diese häretische aber vertretbare Perspektive ein? Kann Holzschuhs Ansatz, der sich auf Äußerlichkeiten beschränkt und eine Texttypologie, die auf dem Aussehen basiert, voraussetzt, uns weiterhelfen? Ist Dialekt bei Dialektdichtung nichts mehr als eine Äußerlichkeit, ein Formkriterium, oder haben wir bei dieser Eigenschaft auch mit inhaltlichen oder gar gar gehaltlichen Dimensionen zu tun? Auf diese Frage wird zurückzukommen sein.
 
Nach dem schlichten Kriterium "Wortkunst" wäre folgendes Beispiel ein Gedicht. (Aus dem Theaterstück Der Tieger von Äschnapur zwei oder Ich bin das einzige Opfer eines Massenmordes von Alexeij Sagerer, Kunstpostkarte o.J. - drucktechnisch bedingt erfolgt die Darstellung in Graustufen. Im Original erscheint das Wort "rod" in blauer Farbe, "plau" in grün und "krün" in roter Farbe.)
 
rod plau krün - Dialekt Literatur
 
Wenn "Literatur" Geschriebenes impliziert, so wird die Schriftlichkeit dieser drei Wörter durch die Kursivschrift betont; gleichzeitig hebt die Handschrift das Individuell-Persönliche, die Gemachtheit, das Gekünstelte an den Wörtern hervor. Das Individuell-Persönliche tut sich auch in der nicht-konventionellen Buchstabierung kund. Man könnte sogar meinen, regionale Eigentümlichkeiten aus diesen Wort-Gebilden herauszuhören. Die phonologische Struktur des gesprochenen Bairisch könnte sogar zu solchen Schreibweisen verführen. Haben wir hier mit einem Dialekttext zu tun? Sogar ein Dialektgedicht? Mit Dialektliteratur? Eine künstlerisch selbstbewußte Spannung ist schließlich in der Farbenverteilung vorhanden. "Rod" sagt "rot", ist aber blau. "Plau" sagt "blau", ist aber grün, usw. Anders formuliert: "rod" ist gar nicht "rot", denn es ist blau. "Plau" ist gar nicht "blau", denn es ist grün, usw. Vielleicht handelt es sich doch hier eher um ein Magritte-ähnliches Gebilde; man denke "Ceci n'est pas une pipe".
 
Bild: "Ceci n'est pas une pipe"

"Plau" ist nicht "blau" usw. Trotz der Wörter, trotz der Wort-Kunst, gehen wir hier fehl, wenn wir das als Text bezeichnen? Haben wir doch nicht eher mit einem Bild zu tun? Man kann schließlich diesen Text nicht rezitieren, ohne dass wesentliche Bedeutungsschichten verloren gehen. In diesem Sinn steht dieses Wörter-Bild der konkreten Poesie nahe. Wort-Kunst ist wohl nicht immer gleich Literatur.
 
Kontext
 
Indem ich Sie hier in diesem Raum einlade, über diese drei Wörter als Text mit künstlerischem Anspruch nachzudenken, verleihen wir dem Wortgebilde einen gewissen Stellenwert. Einen ganz anderen Stellenwert hätten die Wörter als Produkt eines Spielkreises, wo Kinder mit Farbstiften ihre Rechtschreibung üben. In diesem Fall neigten wir vielleicht dazu, auf Rechtschreibprobleme hinzudeuten (Zehetner, 42f, 49f), und wir würden eventuell anfangen, uns Sorgen zu machen, ob das Kind nicht farbenblind sei. In diesem Kontext lesen wir die drei Wörter anders, reagieren anders, geben den Wörtern einen anderen Sinn. Wir als Leser derselben Wörter schaffen also eine ganz andere Bedeutung. Der Kontext ist alles. Diese Situationsbedingtheit sprachlicher Bedeutung fällt unter die Rubrik Pragmatik, und in der Linguistik gebührt der Forschungsrichtung "Sprachpragmatik" immer größere Aufmerksamkeit. Sie untersucht die Abhängigkeit der Sinnstiftung von situationsspezifischen Gegebenheiten wie: wer? wem? wann? wie? unter welchen Voraussetzungen der gemeinsamen Kenntnis und Erkenntnis? bei welchen affektiven Bedingungen? unter welchen räumlichen Verhältnissen? usw. Dieselben Wörter haben demnach niemals dieselbe Bedeutung, denn die Bedingungen der Kommunikationssituation sind von Mal zu Mal unterschiedlich. Wenn wir diese Feststellung auf die Literatur oder auf Gedichte übertragen, so folgern wir, dass ein Gedicht bei jeder Lektüre oder bei jedem Hören anders ist, denn die pragmatischen Umstände der Aufnahme des Textes sind anders. (...)
 
 
rod plau krün - Plakat
 
rod plau krün: Präsentation als Plakat 2022 in der Ausstellung "Die Lust am anderen Theater" im Deutschen Theatermuseum in München.
 
 
rod plau krün - 2022
 
 
 

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Angeführt von den 4 FAVORITES mit je über 10.000 Aufrufen: Tanz in die Lederhose: 25.746 Views, Vorfilm für Voressen: 17.361 Views, Frau in Rot: 11.534 Views und Ottfried Fischer hustet Alexeij Sagerer: 10.139 Views. (Stand 11.95.2023) und siehe auch Rote Wärmflasche tanzt auf Platz 5 mit überraschenden 8096 Aufrufen, Maiandacht mit 7710 Views, Erste Bierrede zur Kunst mit 5236 Views ...
 
 

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Am 24. Februar 2022 zensiert Vimeo die proT-Präsentationsseite: "Alexeij Sagerer auf Vimeo" (264.520 Views, 1631 Likes). Auf der "Alexeij Sagerer auf Vimeo"-Seite waren vor allem die proT-Produktionen des Unmittelbaren Films sowie die Theaterdoku "Siegfrieds Tod" und der Kinofilm "Zahltag der Angst" präsentiert. Diese proT-Filme sind alle nach wie vor hier auf der proT-homepage-Seite FILMPRODUKTIONEN  , bzw. "Siegfrieds Tod" bei den THEATERDOKUMENTATIONEN  zu erreichen.
 
 
 

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