LOST & FOUND
ALEXEIJ SAGERER
von Dunja Bialas
Alexeij Sagerer, "Urgestein der Münchner Theatersubversion" (FAZ),
hatte zu Beginn seines Schaffens erste Filme realisiert, was sich durch sein gesamtes
Werk in immer neuen Transformationen hindurchziehen sollte. Mit der "Filmpoesie" ROMANCE (1969)
und dem Gangsterfilm KRIMI (1969), einem "Film über Kino", hatte sich Sagerer einen Platz im
Umkreis des Jungen Deutschen Films (Vlado Kristl, Herbert Achternbusch, Werner Herzog und
Rainer Werner Fassbinder) geschaffen. Sie alle nannte Helmut Schödel 1979 in der ZEIT die
Münchner "Anarcho-Bohème" und hob ihren "Mut zur Unvernunft" hervor.
Mit dem "proT", das Sagerer ab 1969 in München leitete, entwickelte er das post-dramatische,
"unmittelbare" Theater, und revolutionierte die Landschaft des Repräsentationstheaters,
mit weitreichendem Einfluss bis hin zur documenta-Teilnahme 1987 mit der szenischen Skulptur
"Küssende Fernseher". Mit seinen Filmen, die er bis AUMÜHLE (1973) realisierte, erhielt er
die Einladung, dem Filmverlag der Autoren beizutreten. Er nahm Abstand davon, als er im
Kleingedruckten das Blasphemie-Verbot entdeckte. Später, als er sich gegen den klassischen
Film entschieden hatte, wurde er zum Videopionier und integrierte als einer der ersten das
Medium Film ins Theater.
Wie Fassbinder und Achternbusch setzt Sagerer in seinen Filmen eine Sprache ein, die statisch
und gekünstelt wirkt und das Naturalistische der sogenannten Repräsentationssprache meidet.
Es gibt keine Pseudo-Gefühle, keinen Pseudo-Realismus, sondern unmittelbare Dokumentation
(im Sinne des Direct Cinema) oder dokumentierte Handlung (im Geiste des unmittelbaren Theaters),
die bei Sagerer dann auch ins Symbolische hineinreicht. Ohne vordergründige politische Aussage
oder Handlung sind seine Filme so auch politische Filme, die das Unsagbare, Unzeigbare zur
Darstellung bringen, und das im kollektiven Unterbewusstsein Verborgene.
(Dunja Bialas)
sonntag 8 okt 15.00 uhr werkstattkino
KRIMI
BRD 1969 - 35 mm – 35 min
Premiere 2. Dezember 1969
Europa-Filmpalast, München
B: Alexeij Sagerer – K: Lothar Stickelbrucks – S: Lothar Stickelbrucks, Alexeij Sagerer –
M: Maximilian von Berg – P: proT
Mit Guenter Albert, Erwin A. Leitner, Manuela Hollack, Maximilian von Berg, Christopher Price,
Reinhold Nothoff
Film über Kino.
"Gesabberte Wunschwelt, so grotesk wie pervers. Freund leiht Auto von Detektiv. Mit Mädchen
ins Grüne. Überfall. Sexuell stimulierte Brutalitätenkiste: ,Wo Geld, du Schwein?’ Zwist
zwischen Ober- und Untergangstern. Mädchen Wanderpokal. Sagerer benutzt diese primitiven
Elemente kriminalistischer Reißerspannung zu perfiden Entlarvungsspiegelungen des Zuschauerbewusstseins.
Er verpopt Folterblutgesudel mit Schnellpennerkomik, Detektivpose mit gelöcherten Krimileichen.
Das wird am Ende sogar witzig. Ein böser Comicstrip, mit Spruchblasengerede.
Fazit: Über die deformierte Phantasie."
(PONKIE, Abendzeitung, 1969)
PHERACHTHIS
BRD 1970 – 16mm – 13 min
Premiere 12. April 1970
B: Alexeij Sagerer, Jürgen von Hündeberg – K: Axel Hesse - M: Jürgen von Hündeberg
In diesem Film treten nur säurefeste Tintenkannen auf, die früher in Schulen zum tropffreien
Nachfüllen der Tintenfässer in den Schulbänken benutzt wurden. Kein nostalgischer Film.
Nach ihrem Dasein als Tintenkanne ist der Film einer der Höhepunkte in der Kannen-Existenz.
ROMANCE
BRD 1969 – 16mm – 20 min
Premiere 30. November 1969
B: Alexeij Sagerer, Jürgen von Hündeberg – K: Axel Hesse – M: Jürgen von Hündeberg –
Mit George Augusta, Rosemarie Barens
ROMANCE ist der Beginn von Alexeij Sagerers „Kunst- und Musikfilmen“, in die auch
PHERACHTHIS gehört und die später weitergeführt werden mit den Synchronisatoren für das
Nibelungen- & Deutschlandprojekt.
ROMANCE ist reiner Film, reine Bewegung. Der Mann und die Frau stellen nichts dar, ihre
Bewegungen sind nicht von Bedeutung getragen, sie werden produziert. Das Tempo ist extrem
langsam (es sind keine Zeitlupen). Gehen, Drehen, sich abwenden, sich zuwenden, Drehung des
Kopfes, Veränderung des Blickes der Augen ...
Jede filmische Einstellung ist für sich gebaut, die Hintergründe werden immer wieder verändert
– mit Stoffen, mit Materialien, mit Farben. Die Lichtqualität wir immer wieder neu gesetzt:
Weißes Licht, kaltes Licht, gelbes Licht, bewegte Lichtprojektionen usw.
ROMANCE wird anfangs gezeigt als simultaner Gegenraum mit der theatralen Arbeit Die Nashörner
nach Eugène Ionesco, in der die Akteure permanent mit Kannen agieren. Seine Solo-Premiere hat
Romance beim Aktionsabend I am 30. November 1969.
WERBEFILM FÜR TIEGER
BRD 1978 – 35 mm – 1'30''
B: Alexeij Sagerer – K: Sepp Heyne Mit Jürgen von Hündeberg, Cornelie Müller,
Agathe Taffertshofer, Billie Zöckler und Alexeij Sagerer
Der Film wurde 1978 und die folgenden Jahre in Münchner Kinos (z. B. den Leopoldkinos und dem
Studio Isabella) als Werbefilm gezeigt. Für die Theaterproduktionen "Der Tieger von Äschnapur
Eins oder Ich bin die letzte Prinzessin aus Niederbayern", "Der Tieger von Äschnapur Zwei oder
Ich bin das einzige Opfer eines Massenmordes" und "Der Tieger von Äschnapur Drei oder Ich bin
imbrünstig mein Alexeij Sagerer".
Alexeij Sagerer * 1944 in Plattling. Seit 1969 leitete er in München das
proT, mit dem er seit 48 Jahren politisches Theater ohne vordergründig politische Themen realisiert
und das unmittelbare Theater entwickelte. In jüngster Zeit besinnt sich Sagerer wieder auf sein
filmisches Werk, das ab 1973 stets im Zusammenhang mit seinen Theaterproduktionen entstand,
und in dessen Zentrum ab der Jahrtausendwende der unmittelbare Film rückte. 2017 kam sein
Langfilm AUMÜHLE (1973) in restaurierter Fassung zur Wiederaufführung.
Filme Krimi 1969 – Romance 1969 – Pherachthis 1970 – Aumühle 1973 –
Werbefilm Eins 1978 – Werbefilm Zwei 1980 – Musikfilm 1980 – Räume I & II 1980 –
Die Nibelungen am VierVideoTurm 1992 – Der größte Film aller Zeiten 1997ff. – Reine Pornographie 2006 –
Reines Trinken 2008
SEITEN - ABSPANN
Lust auf proT - proTshortcuts auf YouTube
proT-shortcuts auf YouTube sind intensive Film-Ausschnitte von oder mit proT:
Theaterdokumentationen, live-film, Unmittelbarer Film ... oder kurze proT-Filme wie Film-Comics,
Vorfilme, Werbefilme ...
proT auf YouTube: proTshortcuts
Inzwischen über 170.000 Views angeführt von den 4 FAVORITES mit je über 10.000 Aufrufen:
Tanz in die Lederhose: 25.799 Views, Vorfilm für Voressen: 17.392 Views,
Frau in Rot: 13.852 Views und Ottfried Fischer hustet Alexeij Sagerer: 10.165 Views.
(Stand 14.05.2024) und siehe auch Rote Wärmflasche tanzt auf Platz 5 mit überraschenden
8165 Aufrufen, Maiandacht mit 7742 Views, Erste Bierrede zur Kunst mit 5263 Views ...
Werkverzeichnis I
Alexeij Sagerer, proT — Produktionen
Werkverzeichnis II
Alexeij Sagerer, proT — Festivals, Ausstellungen, Screenings, Beteiligungen, Auszeichnungen, öffentliche Ankäufe (Auswahl)
Werkverzeichnis V
über Alexeij Sagerer, proT — Literatur und Presse (Auswahl)
FILMPRODUKTIONEN
ab 1969 bis jetzt
DIE SYNCHRONISATOREN
Filmproduktionen für den VierVideoTurm 1985 bis 1996
THEATERDOKUMENTATIONEN
ab 1969 bis jetzt
proT jetzt!
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