FILM UND PRÄSENTATION
proT Filmproduktionen im Kino, auf Festivals, bei Ausstellungen, auf Youtube und in anderen Präsentationen und Listen.

 
 

Werkverzeichnis IV


 
Mit Werkverzeichnis IV präsentieren wir mit über 100 Filmen eine Übersicht über den Prozess der Filmarbeit von Alexeij Sagerer, der zu immer neuen filmischen Kompositionen bzw. Qualitäten führt. Dabei zeigen wir die Entwicklung vom Kinofilm mit "Aumühle" und "Krimi" 1969-73 über verschiedene Qualitäten wie Film-Comics, Film-Ereignisse (Video), Synchronisatoren und live-film bis zu Programm Weiss und dem Unmittelbaren Film 2006-16 mit "Reines Trinken - Gottsuche", "Voressen", "Weisses Fleisch" usw..
 
 

Werkverzeichnis IV


Alexeij Sagerer, proT  —  Filmographie — Übersicht —  Chronologische Liste der Filmarbeiten
 
 

Die VIDEO-LISTE der proT-homepage


Alexeij Sagerer, proT - chronologische Liste aller Dokus, Videos und Filme auf der
proT-homepage
 
 
 

Präsentation
der ersten Filmarbeiten
von Alexeij Sagerer

 
 

Die vier Filme KRIMI (1969), Pherachthis (1970), Romance (1969), Werbefilm für Tieger (1978) 2017 bei UNDERDOX
12. Internationales Filmfestival

 
 
proT UNDERDOX Festival 2017
 
 
 
 
LOST & FOUND
ALEXEIJ SAGERER
von Dunja Bialas

 
 
Alexeij Sagerer, "Urgestein der Münchner Theatersubversion" (FAZ), hatte zu Beginn seines Schaffens erste Filme realisiert, was sich durch sein gesamtes Werk in immer neuen Transformationen hindurchziehen sollte. Mit der "Filmpoesie" ROMANCE (1969) und dem Gangsterfilm KRIMI (1969), einem "Film über Kino", hatte sich Sagerer einen Platz im Umkreis des Jungen Deutschen Films (Vlado Kristl, Herbert Achternbusch, Werner Herzog und Rainer Werner Fassbinder) geschaffen. Sie alle nannte Helmut Schödel 1979 in der ZEIT die Münchner "Anarcho-Bohème" und hob ihren "Mut zur Unvernunft" hervor.
 
proT UNDERDOX Festival 2017
 
Mit dem "proT", das Sagerer ab 1969 in München leitete, entwickelte er das post-dramatische, "unmittelbare" Theater, und revolutionierte die Landschaft des Repräsentationstheaters, mit weitreichendem Einfluss bis hin zur documenta-Teilnahme 1987 mit der szenischen Skulptur "Küssende Fernseher". Mit seinen Filmen, die er bis AUMÜHLE (1973) realisierte, erhielt er die Einladung, dem Filmverlag der Autoren beizutreten. Er nahm Abstand davon, als er im Kleingedruckten das Blasphemie-Verbot entdeckte. Später, als er sich gegen den klassischen Film entschieden hatte, wurde er zum Videopionier und integrierte als einer der ersten das Medium Film ins Theater.
 
Wie Fassbinder und Achternbusch setzt Sagerer in seinen Filmen eine Sprache ein, die statisch und gekünstelt wirkt und das Naturalistische der sogenannten Repräsentationssprache meidet. Es gibt keine Pseudo-Gefühle, keinen Pseudo-Realismus, sondern unmittelbare Dokumentation (im Sinne des Direct Cinema) oder dokumentierte Handlung (im Geiste des unmittelbaren Theaters), die bei Sagerer dann auch ins Symbolische hineinreicht. Ohne vordergründige politische Aussage oder Handlung sind seine Filme so auch politische Filme, die das Unsagbare, Unzeigbare zur Darstellung bringen, und das im kollektiven Unterbewusstsein Verborgene.
(Dunja Bialas)
 
 
sonntag 8 okt 15.00 uhr werkstattkino
 

KRIMI


 
proT UNDERDOX Festival 2017
BRD 1969 - 35 mm – 35 min
Premiere 2. Dezember 1969
Europa-Filmpalast, München

 
B: Alexeij Sagerer – K: Lothar Stickelbrucks – S: Lothar Stickelbrucks, Alexeij Sagerer – M: Maximilian von Berg – P: proT
Mit Guenter Albert, Erwin A. Leitner, Manuela Hollack, Maximilian von Berg, Christopher Price, Reinhold Nothoff
 
 
Film über Kino.
"Gesabberte Wunschwelt, so grotesk wie pervers. Freund leiht Auto von Detektiv. Mit Mädchen ins Grüne. Überfall. Sexuell stimulierte Brutalitätenkiste: ,Wo Geld, du Schwein?’ Zwist zwischen Ober- und Untergangstern. Mädchen Wanderpokal. Sagerer benutzt diese primitiven Elemente kriminalistischer Reißerspannung zu perfiden Entlarvungsspiegelungen des Zuschauerbewusstseins. Er verpopt Folterblutgesudel mit Schnellpennerkomik, Detektivpose mit gelöcherten Krimileichen. Das wird am Ende sogar witzig. Ein böser Comicstrip, mit Spruchblasengerede. Fazit: Über die deformierte Phantasie."
(PONKIE, Abendzeitung, 1969)
 

PHERACHTHIS


 
proT UNDERDOX Festival 2017
BRD 1970 – 16mm – 13 min
Premiere 12. April 1970

 
B: Alexeij Sagerer, Jürgen von Hündeberg – K: Axel Hesse - M: Jürgen von Hündeberg
 
In diesem Film treten nur säurefeste Tintenkannen auf, die früher in Schulen zum tropffreien Nachfüllen der Tintenfässer in den Schulbänken benutzt wurden. Kein nostalgischer Film. Nach ihrem Dasein als Tintenkanne ist der Film einer der Höhepunkte in der Kannen-Existenz.
 
 

ROMANCE


 
BRD 1969 – 16mm – 20 min
Premiere 30. November 1969

 
B: Alexeij Sagerer, Jürgen von Hündeberg – K: Axel Hesse – M: Jürgen von Hündeberg – Mit George Augusta, Rosemarie Barens
 
 
ROMANCE ist der Beginn von Alexeij Sagerers „Kunst- und Musikfilmen“, in die auch PHERACHTHIS gehört und die später weitergeführt werden mit den Synchronisatoren für das Nibelungen- & Deutschlandprojekt.
 
ROMANCE ist reiner Film, reine Bewegung. Der Mann und die Frau stellen nichts dar, ihre Bewegungen sind nicht von Bedeutung getragen, sie werden produziert. Das Tempo ist extrem langsam (es sind keine Zeitlupen). Gehen, Drehen, sich abwenden, sich zuwenden, Drehung des Kopfes, Veränderung des Blickes der Augen ...
 
Jede filmische Einstellung ist für sich gebaut, die Hintergründe werden immer wieder verändert – mit Stoffen, mit Materialien, mit Farben. Die Lichtqualität wir immer wieder neu gesetzt: Weißes Licht, kaltes Licht, gelbes Licht, bewegte Lichtprojektionen usw.
 
ROMANCE wird anfangs gezeigt als simultaner Gegenraum mit der theatralen Arbeit Die Nashörner nach Eugène Ionesco, in der die Akteure permanent mit Kannen agieren. Seine Solo-Premiere hat Romance beim Aktionsabend I am 30. November 1969.
 
 

WERBEFILM FÜR TIEGER


 
proT UNDERDOX Festival 2017
BRD 1978 – 35 mm – 1'30''
 
B: Alexeij Sagerer – K: Sepp Heyne Mit Jürgen von Hündeberg, Cornelie Müller, Agathe Taffertshofer, Billie Zöckler und Alexeij Sagerer
 
Der Film wurde 1978 und die folgenden Jahre in Münchner Kinos (z. B. den Leopoldkinos und dem Studio Isabella) als Werbefilm gezeigt. Für die Theaterproduktionen "Der Tieger von Äschnapur Eins oder Ich bin die letzte Prinzessin aus Niederbayern", "Der Tieger von Äschnapur Zwei oder Ich bin das einzige Opfer eines Massenmordes" und "Der Tieger von Äschnapur Drei oder Ich bin imbrünstig mein Alexeij Sagerer".
 
 
Alexeij Sagerer    * 1944 in Plattling. Seit 1969 leitete er in München das proT, mit dem er seit 48 Jahren politisches Theater ohne vordergründig politische Themen realisiert und das unmittelbare Theater entwickelte. In jüngster Zeit besinnt sich Sagerer wieder auf sein filmisches Werk, das ab 1973 stets im Zusammenhang mit seinen Theaterproduktionen entstand, und in dessen Zentrum ab der Jahrtausendwende der unmittelbare Film rückte. 2017 kam sein Langfilm AUMÜHLE (1973) in restaurierter Fassung zur Wiederaufführung.
 
Filme    Krimi 1969 – Romance 1969 – Pherachthis 1970 – Aumühle 1973 – Werbefilm Eins 1978 – Werbefilm Zwei 1980 – Musikfilm 1980 – Räume I & II 1980 – Die Nibelungen am VierVideoTurm 1992 – Der größte Film aller Zeiten 1997ff. – Reine Pornographie 2006 – Reines Trinken 2008
 

Originalpräsentation Alexeij Sagerer auf www.underdox-festival.de


UNDERDOX - 12. Internationales Filmfestival


Dokument und Experiment - München 5.-11. Okt 2017


Die Seite ist ein erstes Beispiel für externe Präsentationen von proT-Filmen.
 
Weitere Screenings von proT-Filmen siehe

Werkverzeichnis II


Alexeij Sagerer, proT  —  Festivals, Ausstellungen, Screenings, Beteiligungen, Auszeichnungen, öffentliche Ankäufe (Auswahl)
 
 
 

Präsentation


 

Filmemacher Alexeij Sagerer mit Aumühle (1973) auf artechock,
Dunja Bialas: point of view


 
 
artechock, 20. April 2017, POINT OF VIEW
Porträt Alexeij Sagerer, Filmemacher
 
artechock
 
Donnerstag, 20. April 2017
 

Alexeij Sagerer, Filmemacher


 
Das Münchner Theater-Urgestein erinnert an sein filmisches Werk. Den Auftakt macht Aumühle (1969-73), ein zeitlos gewordener Klassiker über die Ungeheuerlichkeit
 
Aumühle Alexeij Sagerer  
"Beim Hühnerköpfen sitzen zwei Männer da, die graben ein Loch und schmeißen all die Hühner rein und das Loch zu. Die Hühner werden nicht gegessen, nur begraben. Das hat was Unheimliches. Oder jemand steht neben einer Kuh, der melkt nicht oder macht sonst was Funktionales mit der Kuh. Daraus entsteht die Frage an das Leben selber: Das Leben selber ist ungeheuerlich. Diese Frage muss man stellen, und die Frage nach der Einmaligkeit. Das macht die Kunst. Auf der anderen Seite sind da die Behinderten, die diese Frage auch stellen. Wenn du das normalisierst, dann kannst du es vergessen." – Alexeij Sagerer über Aumühle
 
Ein ungeheuerlicher Fall für einen Film
 
"Aumühle": Dieser Film wurde zum Dreh- und Angelpunkt in Alexeij Sagerers Leben. Gedreht hat er ihn nach einer Meldung, die er im Jahr 1969 in der Zeitung vorfand. Im niederbayerischen Dorf Aumühle im Passauer Landkreis war ein designiertes Wohnheim für geistig behinderte Kinder und Jugendliche bei einer Brandstiftung zerstört worden. Der Fall war ein Politikum. Der Brandstiftung waren Drohbriefe vom Gemeinderat gegen den Eigentümer des Hauses vorangegangen. "Unangenehmes" werde er erleben, hieß es darin, wenn das Behindertenheim käme. Eine Ortsbegehung des Heimleiters, der mit einer Gruppe von Kindern nach Aumühle kam, mündete in einer tumultartigen Auseinandersetzung mit den knüppelbewehreten Einwohnern, die Polizei riet zur unverzüglichen Abreise. Am Abend feierte die Gemeinde, allen voran der Pfarrer, bei Freibier, Lagerfeuer und Würstel ihren Triumph. Wenig später brannte der Dachstuhl des besagten Hauses. Der Heimleiter, der sofort an Ort und Stelle war, wurde verprügelt.
 
Es war eine Vertreibung ganz im Geiste nationalsozialistischer Gesinnung (die Behinderten wurden als Juden beschimpft), und der Fall kam bundesweit in die Schlagzeilen. Von einem "Mahnmal niederbayrischer, ja nationaler Schande" war im Oktober 1969 im "Spiegel" zu lesen.
 
»Das war eine Ungeheuerlichkeit«, erinnert sich Sagerer, und er wollte einen Film dazu machen. Er fuhr in das Dorf, führte Interviews. Mit dem bigotten Pfarrer und dem Heimleiter. Der Ebene seiner Recherchen fügte er die unkommentierten Bilder eines Behindertenwohnheims hinzu, die er im Stile des Direct Cinema drehte. Eine dritte und letzte Ebene ergab eine Spielhandlung, die Sagerer in Art seines damals ganz neuen Prozessionstheaters inszenierte und in der sich auch seine Verwandtschaft zum OrgienMysterien-Theater des Wiener Aktionskünstlers Hermann Nitsch erkennen lässt. In einer wilden, aber öden Natur (und somit völlig unbespielten Landschaft fernab des Originalschauplatzes) errichtete er ein stilisierte Bauernwelt, in der Schauspieler und Tiere eine archaische Handlung lieferten. Diese spielte sich wiederum auf einer symbolischen, dabei sehr konreten Ebene ab, es wurden Schweine und Hühner geköpft. Auch das war eine Ungeheuerlichkeit, der Sender ZDF sprang ab.
 
"Es ging ja nicht um irgendeinen Spendenfilm für Behinderte", erklärt Sagerer, "mir ging's um die Ungeheuerlichkeit, die sich abgespielt hatte, deshalb köpf ich am Schluss auch diese Schweine." Der Film wurde von der Mäzenin Eva Madelung, einer BoschErbin, finanziert, die auch Fassbinders zeitgleichen "Liebe ist kälter als der Tod" ermöglichte und auch die Miete für das proT-Theater zahlte, das Sagerer parallel zu den Dreharbeiten betrieb.
 
Junger Münchner Film
 
Bereits vor "Aumühle" hatte Sagerer erste Filme realisiert. Mit der "Filmpoesie" "Romance" (1969) und dem Gangsterfilm "Kino" (1969), einem "Film über Kino", hatte er sich bereits einen Platz im Umkreis des Jungen Deutschen Films geschaffen. Er war mit dem Film-Anarchen Vlado Kristl befreundet und beobachtete, wie dieser sich am Ulmer Institut für Filmgestaltung einen Wettbewerb mit Alexander Kluge um den ersten Abschlussfilm lieferte, und mit Herbert Achternbusch, der im Filmverlag der Autoren war. Er kannte Werner Herzog und Rainer Werner Fassbinder. Sie alle wurden 1979 von der "Zeit" Münchner "Anarcho-Bohème" genannt und ihr "Mut zur Unvernunft" hervorgehoben.
 
Das "proT" ("Prott" gesprochen), das Sagerer ab 1969 leitete, war jedoch nicht die Antwort auf das Anti-Theater von Fassbinder. Es ist ausbuchstabiert das "Prozessionstheater", in dem er mit seinen post-dramatischen, "unmittelbaren" Theater, wie er es nennt, die Theaterlandschaft revolutionierte, mit weitreichendem Einfluss bis hin zur documenta-Teilnahme 1987 mit der szenischen Skulptur "Küssende Fernseher". Bis zur "Aumühle" aber wusste Sagerer noch nicht, für was und ob er sich entscheiden würde. Mit seinen Filmen erhielt er die Einladung, dem Filmverlag der Autoren beizutreten. Er nahm Abstand davon, als er im Kleingedruckten das Blasphemie-Verbot entdeckte. Später, als er sich gegen den klassischen Film entschieden hatte, wurde er zum Videopionier und integrierte als einer der ersten das Medium Film ins Theater.
 
Fassbinder, Achternbusch, Sagerer: sie alle wirkten gleichzeitig, aber jeder für sich in München, machten Filme und Theater. Eine Zusammenarbeit schloss sich aus, zu eigen und wirkmächtig war jeder für sich. Dennoch zeigen sich Gemeinsamkeiten: auch bei Fassbinder und Achternbusch wirkt die Sprache statisch, gekünstelt, gemieden wird das Naturalistische der sogenannten Repräsentationssprache. Es gibt keine Pseudo-Gefühle, keinen Pseudo-Realismus, sondern unmittelbare Dokumentation (im Sinne des Direct Cinema) oder dokumentierte Handlung (im Geiste des unmittelbaren Theaters), die bei Sagerer dann auch ins Symbolische hineinreicht. Ohne vordergründige politische Aussage oder Handlung ist "Aumühle" so auch ein politischer Film. Er bringt das Unsagbare, Unzeigbare zur Darstellung, das im kollektiven Unterbewusstsein Verborgene. Erzählt wird dabei nicht der Vorfall, vielmehr offenbart sich das untergründige Monströse. Auch dies ist eine Form von Unmittelbarkeit und eine Entscheidung gegen die Repräsentation: Nicht erzählt werden, sondern: es passiert.
 
Nachdem "Aumühle" abgedreht war, ging es an den Schnitt, der die drei Ebenen miteinander verwob. Und dann musste Alexeij Sagerer wegen einer, sagen wir mal, äußerst dummen Aktion für zwei Jahre ins Gefängnis von Landsberg (die Geschichte steht wunderbar entblättert in Ralph Hammerthalers sehr empfehlenswerter Biographie "Alexeij Sagerer – liebe mich – wiederhole mich"). Der Film war noch nicht ganz fertig gestellt, und mit diesem Cliffhanger ging Sagerer in Klausur. Der Knast lehrte ihn Souveränität von den Institutionen, was ihn Zeit seines Lebens begleiten sollte, außerdem kreativen Anarchismus. Am Ende fällte Sagerer die Entscheidung fürs postdramatische Theater, nicht für den jungen deutschen Film.
 
Nach dem Gefängnis stellte Sagerer noch die Tonspur fertig. Es war 1973, vier Jahre nach dem ungeheuerliche Vorfall in Niederbayern, und der "Spiegel" berichtete vom Freispruch der Beteiligten. "Aumühle" wurde der letzte Kinofilm, den er machte. Jetzt wurde "Aumühle" bei Arri restauriert und digitalisiert und kommt in dieser neuen Fassung wieder ins Kino. Und es zeigt sich: Sagerer hat einen zeitlosen Film über das Monströse und Archaische des Menschen geschaffen, das auch heute noch ungeheuerlich und erschreckend brisant ist.
 
DUNJA BIALAS
 
 
Aumühle - Filmklassiker von Alexeij Sagerer
Premiere 10. November 1973, Cinemonde im Citta 2000, München.
Premiere der digitalisierten Fassung am 26. April 2017, Rio Filmpalast, München.
 
 
 

Präsentation
37 Jahre später bis Jetzt:

 
 

Programm Weiss
Unmittelbarer Film

 
 
Unmittelbarer Film (realisiert auf DV-Tape) ist live-film. Die Entstehungszeit des Films ist identisch mit der Länge des fertigen Films. Der Film ist der Film im Augenblick seines Entstehens. Unmittelbarer Film ist gegenüber live-film ein Intensitätssprung. Die theatrale Intensität ist unabhängig vom Film gedacht und gleichzeitig erscheinen Intensitäten über feste Kamerablicke in den theatralen Handlungen. Unmittelbarer Film entsteht in und aus einer Produktion, die gleichzeitig Film- und Theaterproduktion ist, aber Film und Theater kommen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen. Sie beeinflussen einander. Sie brauchen aber einander nicht zu berücksichtigen. Ein wesentliches Element des Unmittelbaren Filmes ist der "feste", intensive Kamerablick, in dem sich eine ebenso intensive theatrale Bewegung, "in einem Stück" entfaltet. Der erste Unmittelbare Film entsteht mit "Reine Pornografie" (2006) und es folgen "Reines Trinken - Gottsuche" (2008), "Voressen" (2009/10), "Weisses Fleisch" (2012) und "Liebe mich! Wiederhole mich!" (2016).
 

Reines Trinken (2008)


Unmittelbarer Film - Programm Weiss - Rausch und Rauschen

 
 
 
 
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Reines Trinken - Gottsuche

 

(1. bis 4. Stunde)


Unmittelbarer Film - DV-SD - Farbe/Ton - 08:00:00 Std. - Produktion proT - 2008
 

 
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Reines Trinken - Gottsuche

 

(5. bis 8. Stunde)


Unmittelbarer Film - DV-SD - Farbe/Ton - 08:00:00 Std. - Produktion proT - 2008
 

 
 
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Reines Trinken - Gottsuche

(die letzten 12 Minuten)


Unmittelbarer Film - DV-SD - Farbe/Ton - 08:00:00 Std. - Produktion proT - 2008
 

 
Der 8-stündige Unmittelbare Film Reines Trinken - Gottsuche entsteht vom 21. Juni 2008, 21:00 Uhr bis zum 22. Juni 2008, 05:00 Uhr mit dem Film- und Theaterprojekt Reines Trinken - Gottsuche in einem aufgelassenen Rangierbahnhofgelände und in den Räumen von "NEULAND - kunst musik bar" in München, in Oppe's Bistro in Floß/Oberpfalz und im Internet. Trinker und Bedienung Maria: Team Floß, u.a mit Johannes Oppenauer, Richard Hoch und Michael Varga. Frau in sanft herabfliessendem Wasser: Juliet Willi. Musiker: Sebastiano Tramontana. Stewardessen: Kerstin Becke, Sophie Engert, Vanessa Jeker, Kordula Kink, Elna Lindgens, Berit Menze, Anja Wiener. Captain: Alexeij Sagerer. Entwicklung des Geländes in München mit Kay Winkler. Realisierung mit Philipp Kolb. live-Bildschnitt: Christoph Wirsing. live-Filmton-Regie: Andreas Koll. Kamera: Matthias Endriß, Roger Hoidn. Internet: Walter Ecker, Patrick Gruban. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 

 
Bei Reines Trinken - Gottsuche geht es um Rausch und Rauschen. Um das Rauschen, das sanfte Rauschen des Wassers und die nackte Frau in diesem Rauschen und alles ist sehr zerbrechlich die Frau die einfach in diesem Rauschen steht und manchmal geht sie ein wenig nach hinten in diesem durchsichtigen Haus wackelig geht sie nach hinten und kommt wieder zurück und das Haus ist eigentlich nur eine dünne Haut und Bögen und es ist hell wenn sie beginnt in diesem warmen Rauschen zu stehen einfach nur darin zu stehen und alles ist so vergänglich das Haus das bald nur noch Fetzen sein wird durchsichtige Fähnchen an diesen Rund-Bögen in dieser provisorischen Landschaft mit Wind die in der Nacht verschwindet und doch dableibt und die Frau steht in diesem Rauschen und in diesem Haus das jetzt leuchtet in der Nacht und bewegt sich nur wenig und lautlos in diesem Leuchten bis es wieder hell wird und das Leuchten verschwindet und das Haus wieder zu einem Teil dieser Landschaft wird die eigentlich nur provisorisch ist und da steht die Frau immer noch in diesem warmen Rauschen des Wassers.
 

 
Während die Trinker in dieser Zeit des Rauschens öffentlich trinken. Sie sind öffentlich und robust und sie wissen, dass sie öffentlich sind und das Trinken wird zum Raum und der Raum wird zum Rausch. So wie er kommt. Wie er in die Körper und in die Welt kommt. Wie er Raum wird. Und sie trinken nur. Stumm. Und dann reden sie natürlich und lachen und tanzen. Und die Komposition Kneipe, die öffentlich ist, löst sich auf und wird erneut öffentlich und auch das Trinken, das nur Trinken ist, wird erneut öffentlich und das wissen die Trinker. Und so wird Theater. Und obwohl Gottsuche immer ironisch ist mit und ohne Trinken wird die Kneipe Kirche. Rausch Raum. Robuster Raum. Vertrauter Raum. Entrückung. Alles wird durchsichtig und ungreifbar. Kind werden. Öffentlich.
 
 
Süddeutsche Zeitung, Dienstag, 24. Juni 2008, Münchner Kultur
 

Heiliges Bier


"Reines Trinken - Gottsuche" mit Alexeij Sagerer

Dass ein gescheiter Rausch hellsichtig machen kann, wissen Mystiker seit Jahrhunderten. Mit "Reines Trinken - Gottsuche" im Rahmen des Zyklus' "Operation Raumschiff" luden nun Alexeij Sagerer und Kay Winkler zum achtstündigen Trinkmarathon ins Neuland. Von Stewardessen wurde man zunächst in einen Filmraum mit Einzeltrinkkabinen geleitet, wo man 28 Minuten in verwischten Bildern dem Geschehen in einer live zugeschalteten oberpfälzischen Kneipe zuschaute. Dort pflegte eine Tischrunde ausgiebig ein altdeutsches Männerritual: Schweigen vor Biergläsern. Unter fleißigem Einsatz von Schnaps aber lösten sich die Zungen schließlich zu verrauschten Lauten. Zwischendurch flimmerte eine nackte Frau über die Leinwand. Die durfte man eine Stunde später in einer Art Gewächshaus besuchen, wo "Jane-Venus" (Juliet Willi) unter sich kreuzenden Wasserstrahlen badete, ein Anblick reiner Schönheit. Danach geschah erst einmal lange wenig bis nichts.
 
"Worte bleiben an der Küste", wie die Sufis sagen. Mit Worten also waren Sagerers ozeanische Assoziationsfluten nie zu ergründen. Sein neues Projekt allerdings glich eher einem stillen Teich, auf dem sich angelegentlich eine Welle kräuselte. Gott oder irgendeine Erkenntnis mochte sich nicht zeigen, während die Mitternacht näher rückte.
 
Doch wie ein Teich seine Geheimnisse nicht dem flüchtigen Betrachter preisgibt, so muss man sich auf die langsamen Veränderungen des eigenen und des Zustands der Akteure einlassen. Sagerers Trinken ist eine ernste Sache, die nicht ohne Grund auf acht Stunden angelegt ist. In dieser Zeit wird das Raumschiff auch erfahrbar als Nucleus eines Ortes, den es bald nicht mehr geben wird, weil Brachen, in denen sich Kreativität breit macht, in München stets vom Aussterben bedroht sind.
 
In Oppe's Bistro, jener zugeschalteten Kneipe im oberpfälzischen Floß, kommt man langsam voran. Die sechs Trinker, die etwas von ihrem Treiben verstehen, erwachen aus ihrer heiligen Andacht, finden den Knopf der Jukebox und singen fünfstimmig "Guardian Angel"; fünfstimmig deshalb, weil sich einer von ihnen auf das Betrachten des kleinen Ausschnitts der Tischfläche unmittelbar vor sich konzentriert und keinerlei Ablenkung gebrauchen kann. Sagerer kündigt "You do something to me" an, was Sebastiano Tramontana murmelnd intoniert, während er sich mit ein paar wüsten Schlägen auf der Trommel begleitet und überraschend verschwindet. Die Oberpfälzer sind inzwischen bei Strauss' "Zarathustra" angelangt und singen "badambadambdam". Nur Jane bleibt, was sie ist: ein verführerisches Bild von Intimität, die in Wahrheit keine ist, weil Juliet Willi die Anwesenheit der Zuschauer gänzlich ignoriert.
 
"Reines Trinken" ist ein begehbarer Schöpfungsmythos, die Kantine der Genesis, ein Fest der Schönheit. Im Verschwinden aller zerebraler Niveauunterschiede liegt eine Utopie von einem neuen Menschen, wie ihn Tarzan und Jane oder die Bedienung Maria entstehen lassen könnten. Bis dahin aber ist noch viel zu trinken.
 
P. HALLMAYER / E. THOLL

 

Voressen (2010)


Unmittelbarer Film - Programm Weiss - Wandlung und Deformation

 
 

 
 
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Voressen


Unmittelbarer Film - DV-SD - Farbe/Ton - 01:23:30 Std. - Produktion proT - 12.06.2010
 

 
Der Unmittelbare Film Voressen entsteht mit dem Film- und Theaterprojekt Voressen am 12. Juni 2010 von 18:28:00 Uhr bis 19:51:30 Uhr beim Tanz- und Theaterfestival RODEO MÜNCHEN 2010 im Muffatwerk. Frauen in Weiss: Juliet Willi, Elna Lindgens, Judith Gorgass. Männer im Lendenschurz: Johannes Oppenauer, Richard Hoch, Michael Varga. Mann und Frau, Verborgener Raum: Sven Schöcker und Alexandra Hartmann. Essen für Voressen: Vierzig Männer und Frauen. BühnenKameras: Ilona Herbert, Anja Uhlig, Patrick Gruban. Kamera Verborgener Raum: Alex Endl. live-Bildschnitt: Christoph Wirsing. live-Filmton-Regie: Oliver Künzner. Tontechnik: Paolo Mariangeli. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 

 
Und drei Frauen. Weiss gekleidet. Ganz unterschiedlich. Kommen herein und zerschneiden und zerrupfen das Obst und das Gemüse und das Fleisch. Und dazwischen füttern sie die Männer. Mit Gabeln und Löffeln und Händen. Und manchmal verbinden sie ihnen die Augen. Und öffnen Flaschen und Gläser. Und zerreissen Schachteln und andere Verpackungen und wischen mit Servietten den Männern die Münder. Und drei schwarz gekleidete Kameraleute sind dabei. Auf den roten Aufbauten und filmen. Und das Licht geht und kommt wieder. Und die Kameraleute verändern ihre Position. Und die Frauen halten inne und dann zerkleinern sie wieder. Und schenken Bier ein und geben den Männern zu trinken und auch eine rote Suppe und grüne Limonade. Und die Männer sitzen da und kauen und schlürfen und schlucken. Und wandeln das Zerteilte und das Flüssige das Harte und das Weiche und das Fleischige und das Trockene in sich selbst. Und sie sind nackt und mit Windeln. Und verschieden und intensiv. Und das ist öffentlich. Und jeder weiss es. Und das ist Theater. Und das ist Komposition.
 

 
Und auf einem vierten roten Podest steht ein grüner Raum. In sich geschlossen. Darin. Eine Frau in weisser Unterwäsche. Ein Mann in einer Badewanne. Sein nackter Körper bedeckt mit Hostien. Und der Mann bewegt sich. Und die Frau nimmt mit ihren Lippen die Hostien vom nackten Körper des Mannes. Und isst die Hostien. Und die Hostien werden die Frau. Und die Hostien sind ein Leib und verschieden. Und auch die Hostien des Rückens sind verschieden. Und die Hostie der Nase und die Hostie des Schwanzes. Und auch als Oblaten sind sie verschieden. Und hinter dem Leib der Hostien erscheint der nackte Körper des Mannes. Und obwohl es in dem grünen Raum geschieht ist es öffentlich. Und alle wissen dass es öffentlich ist. Und ein Kameramann macht Bilder und eine Kamera schickt sie nach draussen. Zu den Bildern der anderen Kameras auf den roten Podesten. Und ein Film entsteht. Und auf einer Leinwand neben dem grünen Raum läuft der Film.
 
 
Süddeutsche Zeitung, Dienstag, 15. Dezember 2009, Münchner Kultur
 

Im Zeichen der Stoa


Alexeij Sagerers „Voressen“ im Muffatwerk

Was genau tun wir, wenn wir essen? Wir vernichten Ressourcen, feuern unseren Stoffwechsel an, stillen Hunger und Sehnsüchte, wir genießen, würgen hinunter oder zelebrieren eine Mahlzeit, werden dabei sozial oder bleiben ganz pragmatisch. Alexeij Sagerer, dessen theatrales Langzeitprojekt „Operation Raumschiff“ im Dezember 2005 in eine Region vorgestoßen ist, die er „Programm Weiß“ nennt, lässt seitdem vornehmlich „reine“ Phänomene an Bord wie Licht, Berührungen oder das Trinken. In „Voressen“ hat nun der Vorgang der Nahrungsaufnahme an Sagerers Tisch Platz genommen. Genau genommen an drei Tischchen, die von farbenfrohen Lebensmitteln überquellen.
 
Drei Tarzans in Lendenschurz werden damit von drei Janes in Weiß gefüttert. Drei Kameraleute werfen Detailansichten von klebrigen Bärten, bekleckerten Bäuchen und von mit viel zu großen Messern massakrierten Melonen oder Schweinshaxen auf eine Leinwand, auf der man auch eine Frau sehen kann, die Hostien vom Körper eines nur körperlich anwesenden Mannes nascht. Diese schmerzlichen Bilder fruchtlosen Begehrens stammen live von einem unter grünen Planen verborgenen Raum im Raum, denn anders als viele seiner Vorgänger leiht sich dieser Sagerer-Abend keine Bilder von einem authentischen Anderswo. Alles, was 83 Minuten und 30 Sekunden lang geschieht, ereignet sich auf der Probebühne des Muffatwerks. Und alles ist Essen, Verschlingung, Arbeit und Demut.
 
Die Männer, die auf ihren erhabenen Stühlen wie Paschas wirken könnten, sitzen stoisch da, wie zu füllende Nahrungssäcke. Die Frauen, sich scheinbar devot kümmernd, sind sachlich Nahrung in Münder einarbeitende Erfüllungsgehilfen eines verborgenen Planes. Worin der besteht? Wer kann das wissen? Gänzlich gereinigt von Bedürfnissen und Emotionen sieht man zum ersten Mal etwas wie „nacktes Essen“. Und die gekonnt unsachgemäße Behandlung der Nahrungsmittel richtet den Fokus so deutlich auf deren Würde, wie es keine Kochshow dieser Welt je könnte.
 
SABINE LEUCHT

 

Weisses Fleisch (2012)


Unmittelbarer Film - Programm Weiss - Komposition als Anfang und Ende

 
 

 
 
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Weisses Fleisch


Unmittelbarer Film - DV-SD - Farbe/Ton - 01:15:34 Std. - Produktion proT - 25.02.2012
 

 
Der Unmittelbare Film Weisses Fleisch entsteht mit dem Film- und Theaterprojekt Weisses Fleisch am 25. Februar 2012 in der Muffathalle in München. Männer auf roter Bühne: Richard Hoch, Michael Varga. Frau im verborgenen schwarzen Raum: Juliet Willi. live-Bildschnitt: Patrick Gruban. Externe Filmkameras: Ilona Herbert, Anja Uhlig. Kamerabild verborgener Raum: Alexeij Sagerer. live-Filmton-Regie: Andreas Koll. Tontechnik: Oliver Künzner. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 

 
Bei Weisses Fleisch geht es um Komposition. Um Komposition als Anfang und Ende. Um Körper. Wandlung und Deformation. Fleisch. Knochen. Bau. Komposition. Ein Pferdekörper fährt ins Licht. Ohne Fell. Weich. Gabelstapler. Töne. Geräusche. Der Körper hängt an den Vorderbeinen. An der Gabel. Offen. Der Kopf hängt über dem Hals. Mit Fell. Alles bewegt sich. Zwei Männer. Schwarz. Eine rote Struktur. Holz. Körper. Bühne. Darauf schwarz ein verborgener Raum. Schmal. Hoch. Ein Mann auf der Bühne. Messer. Säge. Trennt Körperteile ab. Immer wieder. Deformation. Auflösung. Das Pferd fährt um die rote Bühne. Stationen. Wandlung. Die wachsende Präsenz der Geräusche. Sechs Körperteile liegen auf der roten Bühne. Der Kopf weiter am Gabelstapler. Beide Männer auf der Bühne. Die Körperteile werden gehängt. Permanente Komposition. Und jetzt Weiss. Grundfarbe der Repräsentation. Die Geräusche wiederholt. Verzerrt. Tosend. Die Körperteile werden in weisse Farbe getaucht. Der Kopf zuletzt. Neukomposition. Weisse Skulpturen hängen über Rot. Im Zentrum der schwarze Raum.
 

 
Und gleichzeitig im verborgenen Raum. Schwarz. Rote Farbe in roter Wanne. Davor die Frau. Nackt. Sie beginnt ihren Körper zu bekleben. Mit weissen Hostien. Und die weissen Hostien bedecken den Körper. Und werden erneut Körper. Und die Frau steigt in die Wanne mit roter Farbe. Langsam. Und der Körper bekleidet mit den weissen Hostien wird rot. Und die Hostien werden rot. Und die Frau legt sich in die rote Farbe und taucht darin unter. Und auch der Kopf taucht ein ins Rot. Deformation und Wandlung. Und alles wird ein Körper. Die weissen Repräsentationskörper und der nackte Körper der Frau und die rote Farbe. Komposition. Und die Frau steigt wieder aus der Wanne. Und sie ist eine nackte Skulptur. Feucht und rot glänzend. Und mit roten Fetzen von Hostien auf der Haut.
 
 
Süddeutsche Zeitung, Montag, 27. Februar 2012, Kultur
 

Zerlegt


Alexeij Sagerers Projekt 'Weisses Fleisch' in der Muffathalle

München - 'Weisses Fleisch': Das neue Projekt von Alexeij Sagerer und seinem Prozessionstheater proT ist ein Spiel der Wandlungen. Der Bezugspunkt: Die Transsubstantiationslehre. Danach verwandelt sich während des Abendmahls Brot und Wein in Leib und Blut Christi. Das Sakrament ist eine Frage des Glaubens. Und der Repräsentation. Für gläubige Christen ist Gottes Sohn im Abendmahl real präsent. Für den Rest sind Brot und Wein lediglich Medien der Vergegenwärtigung.
 
Dies gilt es im Hinterkopf zu haben, wenn man in der Muffathalle zunächst auf ein Video schaut, in dem eine Frau ihren weißen Körper mit Oblaten beklebt. Bis der Panzer fertig ist, und die Frau in eine Wanne mit roter Farbe steigt und so erneut eine andere Gestalt und Form annimmt, dauert es anderthalb Stunden. Währenddessen vollzieht sich auf dem Podest in der Hallenmitte ein Schau-Spiel, das gewöhnungsbedürftig ist und wohl sein soll. Für einen Skandal aber nicht taugt, auch wenn dieser noch kommen mag. Ein ausgeweidetes totes Pferd wird von einem Gabelstapler hereingefahren. Quälend langsam verrinnen nun die Minuten, in denen zwei Performer das Tier zerlegen und die Einzelteile an Ketten in die Höhe ziehen. Man blickt auf rotes Fleisch, die Verwundbarkeit der Kreatur wird sichtbar. Unzählige Mikrofone machen jeden Handgriff auch auditiv erfahrbar.
 
Sagerer, der Niederbayer, macht seit über dreißig Jahren 'unmittelbares Theater', der Körper spielt darin eine zentrale Rolle. Seine Verletzlichkeit, aber auch seine Schönheit und Würde drohen in einer stetig virtueller werdenden Welt zu verschwinden. 'Zeige deine Wunde' hieß es schon bei Beuys. Am Ende übertünchen die Performer das Fleisch mit weißer Farbe. Frappierend, wie es flugs seine blutige Bedrohlichkeit verliert. Zur Skulptur wird. Diese ließe sich wieder anbeten - in einer Kunstreligion.
 
FLORIAN WELLE

 

Liebe mich! Wiederhole mich!


Unmittelbarer Film - Programm Weiss - Sterben und Lebendigkeit

(2016)


 
 

 
 
proT auf Vimeo - über 75.000 Views - ZENSIERT !

Liebe mich! Wiederhole mich!


Unmittelbarer Film - DV-SD - Farbe/Ton - 01:41:10 Std. - Produktion proT - 24.02.2016
 

 
Der Unmittelbare Film Liebe mich! Wiederhole mich! entsteht mit dem Film- und Theaterprojekt Liebe mich! Wiederhole mich! am 24. Februar 2016 im proT auf "Die Säulenhalle", München. Mann: Johannes Oppenauer. Frau in Weiss mit Schleier: Judith Gorgass. Frau in Weiss und Rot: Stephanie Felber. Frau in Weiss Kameraperformance: Anja Uhlig. Live-Bildschnitt: Christoph Wirsing. Kamera: Ludger Lamers, Anja Uhlig, Alexeij Sagerer. Film-/Raumton-Regie: Philipp Kolb. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 

 
Und worum geht es bei Liebe mich! Wiederhole mich!. Um die Nacktheit. Um das Sterben als fortschreitende Nacktheit und um die Nacktheit als Berührung. Die Nacktheit und die Berührung als Komposition. Und der Mann berührt sich von innen während er stirbt. Und der Mann wird nackt von innen während er stirbt. Das Sterben berührt den Körper von innen und zwar überall. Es ist eine dauernde Bewegung. Milieuwechsel! Und der Mann weiss, dass er stirbt und dabei von innen heraus nackt wird und gleichzeitig Teil einer theatralen Komposition ist. Und er weiss um die nackten Körper der Frauen, die sich berühren und dadurch auch Teil dieser theatralen Komposition sind. Und der gestorbene Körper ist der nackteste Körper in dieser Komposition.
 

 
Und gegenüber die drei Frauen. Sie berühren sich von aussen. Und es sind drei verschiedene Berührungen. Drei verschiedene Nacktheiten. Und ihre Nacktheiten stellen mit der Nacktheit des Mannes die theatrale Komposition her. Und es sind drei verschiedene Nacktheiten. Die in den Raum gestellte Nacktheit der stehenden Frau. Die Nacktheit der Frau, die sich selbst berührt und nur bei sich selbst bleibt, während sie öffentlich ist. Und die betrachtende Nacktheit der Frau mit der Kamera, die nackt ist und gleichzeitig die Nacktheit sieht und ebenfalls öffentlich ist und gleichzeitig die theatrale Komposition herstellt.
 
Helmut Schödel in:
"Die Lust am anderen Theater - Freie darstellende Künste in München"
(S. 29-36)
Publikation des Deutschen Theatermuseums, Henschel 2022, 256 Seiten.
Herausgeberin Dr. Birgit Pargner.
 

Das Es-ist-was-es-ist-Theater
des Alexeij Sagerer


(...)
 
Sagerers bisher letzter großer Film, der das Sterben seines Freundes Johannes Oppenauer zeigt und gefühlt fast einen Tabubruch darstellt, wenn man davon hört, ist aber eine seiner ruhigsten Arbeiten und von großer Gelassenheit.
 
Oppenauer war schon todkrank, als er eine 18-jährige Frau aus Tschechien heiratete. Sie liebten sich offenbar tatsächlich. "Diese Liebe war", sagt Sagerer zu seinem Biografen Hammerthaler, "körperlich wie der Tod". Und so beginnt auch der Film mit der jungen Braut und ihrer Begleitung und hat von Anfang an etwas Schwebendes, Choreografisches.
 
Die Wandtapete neben dem Sterbebett zeigt einen Blick auf ein Meer und eine weiße Steintreppe, die letztlich dorthin führt, wo man auf Erlösung hoffen darf. Aus der Musik und den Geräuschen glaubt man einen Sturm heraus zu hören oder Tristan-Motive.
 
Nichts Aufgeregtes hat dieser Film, nichts ist spekulativ. Des Lebens müde dämmert Oppenauer dem „Großen Schlaf“ entgegen und sein letzter Blick geht in die Richtung der drei Frauen, von denen eine ihren roten Slip für offenbar abschließende Sexarbeiten immer rauf und runter schiebt.
 
Durch die Länge und Wiederholung verlieren die Bilder an Schwerkraft.
 
Sagerer konnte diese Geschichte nicht einfach nüchtern und unmittelbar zu Ende erzählen. Denn in diesem Film spielt einer die Hauptrolle, den man nicht sieht. Das ist der Tod.
 
Er holt den Oppenauer und Sagerer findet genial aus seinem Dilemma heraus. Geschickt und bescheiden. Für die Erlösung eine Tapete. Für die Liebe Klänge einer Tonspur. Für die Vereinigung ein Brautkleid. Für den Sex die komische Nummer. So können am Schluss auch Eros und Thanatos zufrieden sein mit Sagerer.
(...)
HELMUT SCHÖDEL
 
Birgit Pargner in:
"Die Lust am anderen Theater - Freie darstellende Künste in München"
(S. 44-50)
Publikation des Deutschen Theatermuseums, Henschel 2022, 256 Seiten.
Herausgeberin Dr. Birgit Pargner.
 

Alexeij Sagerer - immer wieder ein Erlebnis


(...)
 
Alle intimen Momente und Bewegungen der Frauen, die die Kamerafrau in Nahaufnahmen von der Braut einfängt, sind unterhalb des Bühnensteges auf zahllosen Bildschirmen für die Zuschauer sichtbar: etwa ihr nackter Fuß auf dem roten Boden, der unter dem Brautkleid hervorlugt; ihr allmähliches Sich-Ausziehen, ihre dunklen Haarsträhnen auf der weißen Spitze ihres Kleides und auf ihrer nackten Haut, schließlich das Räkeln ihres nackten Körpers auf dem roten Boden, ihre Finger, die langsam und in lustvoller Selbstversunkenheit bis zur Scham vorgleiten.
 
Die Braut als das personifizierte Lebens- und Lustprinzip einerseits und der Sterbende auf der Filmleinwand andererseits bilden die beiden konträren Pole in dieser Aufführung. Die künstlich und künstlerisch hergestellte Gleichzeitigkeit der Vorgänge konnte Sagerer durch die Möglichkeiten des Filmschnitts in seinem Unmittelbaren Film besonders fühlbar machen, indem er das Geschehen auf der Bühne und auf der Leinwand in einer harten Aufeinanderfolge kontrastierender Einblendungen zeigte. Sah man gerade noch eine malerische Nahaufnahme der Nackten im Glaskasten, wird plötzlich das erstarrte Gesicht des Toten eingeblendet, das die Kamera aus unterschiedlichen Perspektiven zeigte, worauf wiederum eine Einblendung des Rituals der Nackten im roten Slip zu sehen ist. Dieses Mittel zeitlicher Überlagerung und Verdichtung sorgt für eine besonders intensive Dynamik, unterstützt von den Wirkungselementen Licht, Farbe, Körperlichkeit und Musik - wie aus weiter Ferne hört man bei Einblendungen des Sterbenden immer wieder Ausschnitte aus der Ouvertüre von Tristan und Isolde und ein mexikanisches Volkslied von der Wirkung eines Klageliedes.
(...)
BIRGIT PARGNER
 
 
 

Präsentation

 
 

proT Filmproduktionen auf Youtube und andere Präsentationen


 

Lust auf proT - proTshortcuts auf YouTube


proT-shortcuts auf YouTube sind intensive Film-Ausschnitte von oder mit proT: Theaterdokumentationen, live-film, Unmittelbarer Film ... oder kurze proT-Filme wie Film-Comics, Vorfilme, Werbefilme ... Lebendige Präsentation!
 
 

proT auf YouTube: proTshortcuts


Inzwischen über 170.000 Views angeführt von den 4 FAVORITES mit je über 10.000 Aufrufen: Tanz in die Lederhose: 25.854 Views, Vorfilm für Voressen: 17.415 Views, Frau in Rot: 14.799 Views und Ottfried Fischer hustet Alexeij Sagerer: 10.192 Views. (Stand 04.02.2025) und siehe auch Rote Wärmflasche tanzt auf Platz 5 mit überraschenden 8189 Aufrufen, Maiandacht mit 7810 Views, Erste Bierrede zur Kunst mit 5287 Views ...
 

proTshortcuts auf YouTube 1977 bis 2013
Chronologische Liste


Chronologische Liste aller proTshortcuts auf Youtube vom Film-Comics Heimatfilm von 1977 bis zu Ein Gott Eine Frau Ein Dollar 2013.
 
 

proT auf Vimeo und ZENSUR


Am 24. Februar 2022 zensiert Vimeo die proT-Präsentationsseite: "Alexeij Sagerer auf Vimeo" (264.520 Views, 1631 Likes). Auf der "Alexeij Sagerer auf Vimeo"-Seite waren vor allem die proT-Produktionen des Unmittelbaren Films sowie die Theaterdoku "Siegfrieds Tod" und der Kinofilm "Zahltag der Angst" präsentiert. Diese proT-Filme sind alle nach wie vor hier auf der proT-homepage-Seite FILMPRODUKTIONEN  , bzw. "Siegfrieds Tod" bei den THEATERDOKUMENTATIONEN  zu erreichen.
 
 
 
 
 

Präsentation

 
 

Zwischen Kinofilm (1969) und Programm Weiss (2016):
Der Beginn eines Prozesses, der bis zum Unmittelbaren Film führt.

 
 
Schon vor dem Unmittelbaren Film und Programm Weiss geschieht es: Film begreift kompakte Teile im Unmittelbaren Theater als eigenständige, unmittelbare "Filmkompositionen mit Ton" (Theaterfilm). Dabei läuft im proT tatsächlich ein Prozess von den ersten Filmarbeiten (1969) bis zum Unmittelbaren Film (ab 2006). Dieser Prozess beginnt eigentlich mit einer Anordnung von Alexeij Sagerer, der jedes Abfilmen von Unmittelbarem Theater im proT verbietet. Dieses Verbot gilt ungefähr bis Mitte der Siebziger Jahre. Dann öffnet sich der Prozess auf das "einfache" filmische Begreifen einzelner kompakter Elemente, die unmittelbar als Film begriffen werden können. Die Lebendigkeit des Theaters erscheint in der Lebendigkeit des Films. Dies ist nicht immer möglich und wird auch nicht immer gesehen. Dies bedeutet, dass die Lebendigkeit des Unmittelbaren Theaters, bei diesen einzelnen kompakten Elementen im Film erhalten bleibt, was bedeutet, dass die theatrale Lebendigkeit direkt als filmische Lebendigkeit erscheint. Dieses Begreifen führt dann auch zu längeren filmischen Kompositionen aus diesen Elementen, die als "Theaterfilm" bezeichnet werden können.
 
Und hier der umgekehrte Prozess: filmische Intensitäten gezielt produziert für Kompositionen des Unmittelbaren Theaters (als Film-Comics oder Film-Ereignisse). Der Prozess läuft dann über filmische Elemente (Film-Comics bei "Der Tieger von Äschnapur" ab 1977 oder Film-Ereignisse bei "Die Vorwürfe auf den Tieger von Äschnapur Unendlich" ab 1980), die in theatrale Abläufe eingebracht werden können und dann in gewisser Weise Teile der theatralen Komposition sind.
 
Ab 1997 mit "....und morgen die ganze Welt" (Captainflüge) und mit live-film ab 2003 ("Tarzan und Jane - birth of nature"), wo bereits mit der Theaterproduktion ein unabhängiger Film hergestellt wird, stehen wir dann endgültig vor dem "Unmittelbaren Film" und "Programm Weiss" (ab 2006).
 
über 25.886 Views auf Youtube

Tanz in die Lederhose


31. Dezember 1991, proT-ZEIT, München, Steinseestr. 2 (YouTube 5:15 Minuten)
 

 

 
Tanz in die Lederhose ist der fünfte Teil aus "Der Nibelung am VierVideoTurm", Premiere am 12. Februar 1992, proT-ZEIT, München, Steinseestr. 2, Nibelungen & Deutschland Projekt (I-1) mit Alexeij Sagerer und Zoro Babel. (Kamera: Werner Prökel).
 
über 8.196 Views auf Youtube

Rote Wärmflasche tanzt


Film-Comics - U-Matic-Highband - Farbe/Ton - 00:02:19 Std. - Produktion proT - 1979
 

 

 
Der Film-Comics Rote Wärmflasche tanzt ist der in einer festen Einstellung am 13. September 1979 vom Stativ gefilmte Prolog zur Theaterproduktion "Der Tieger von Äschnapur Drei oder Ich bin imbrünstig mein Alexeij Sagerer". "... Sie ist rot und aus Gummi und in ihrem Bauch steckt, möglichst weit unten (geographisch) ein ehemaliger Sektkorken aus weisslichem Plastik. ..." Kamera: Fips Fischer. Mundmusik: Alexeij Sagerer. Agathe Taffertshofer bewegt die Wärmflasche. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 
 
über 3.318 Views auf Youtube

di dawisch i fei scho no Präsident 2010


26. März 2010, Akademie der Bildenden Künste, München (YouTube 7:35 Minuten)
 

 

 
di dawisch i fei scho no Präsident 2010. 26. März 2010, Akademie der Bildenden Künste München, Aula - anlässlich der Amtsübergabe der Präsidentschaft der Akademie von Prof. Nikolaus Gerhart an Prof. Dieter Rehm - mit Alexeij Sagerer und Zoro Babel. Kamera: Maria Rilz.
 
 

 
Samstag/Sonntag, 03./04. August 2024
 
Der freie Radikale des Theaters
Alexeij Sagerer, Münchens eigenwilligster und widerborstigster Theatermacher wird 80. Eine kleine Verneigung.
 
München - Plattling. Dort wurde Alexeij Sagerer am 4. August 1944 geboren. Herkunft prägt. Zwei Beispiele aus Jahrzehnten: Knapp 50 Jahre nach seiner Geburt erfand Sagerer zwei theatrale Solovorgänge, "Didawischifeischono" (dich erwische ich schon noch) und den "Tanz in die Lederhose". Zwei infernalische Darbietungen, die zusammenbrächen, stockten sie nur für einen Moment. Der erste ist das Wort allein, kehlig, kräftig, strudelig, bedrohlich, aber auch zart. Wiederholung, Wandlung, bis zur Erschöpfung. Der zweite ist das, was der Titel sagt. Sagerer zieht Hose und Hemd aus, Zoro Babel trommelt einen Walzer, Sagerer hüpft und tanzt, die Lederhose in den Händen. Die Bewegung darf nicht abreißen, aber es ist nicht leicht, dabei in die Lederhose zu kommen. Die furchterregende Energie findet ihren Trost in der Abnutzung des Körpers. Sagerer, schließlich in Lederhose, sinkt in einen gepolsterten Stuhl. Bier.
 

 
Sagerers eigenes Postulat der Unabhängigkeit kostete ihn die Förderung
 
Zu diesem Zeitpunkt war Alexeij Sagerer schon eine Theaterlegende in München. 1968 hatte er seinen ersten Auftritt in München, 1969 gründete er das proT, der Keller in der Isabellastraße 40 wurde zu einem heiligen Ort für unkorrumpierbare, wilde Kunst. Von dort aus eroberte Sagerer die Stadt, spielte im Tierpark Hellabrunn, verlassenen Industrieanlagen, in der Muffathalle. Dort fand eine seiner schönsten Arbeiten statt, "Das OR-05", 28. Januar 2006. Die Halle war leer, vollkommen. Und auch vollkommen dunkel. Und vollkommen mit weißem Streusalz ausgestreut, aber das sah man erst einmal nicht. Von 18.28 Uhr an wurde sie heller. Sehr langsam. Um 21.44 Uhr war sie gleißend hell. Und sehr warm. Das Salz strahlt Wärme ab. Ein reiner Vorgang, ein Bild, ein Gleichnis, vor allem aber eine Erfahrung blanker Sinnlichkeit. Keine Erklärung notwendig.
 
Nie ließ er sich vereinnahmen. Als 2005 die Kammerspiele anfragten, beschied der denen, "Institute produzieren Institution, und in gewisser Weise ist das auch richtig so. Aber richtig ist auch, dass die Institution kein Ziel meiner Theaterarbeit ist." Lieber baute er Projekte über Jahre zusammen, den "Tieger von Äschnapur" oder das "Nibelungen & Deutschland Projekt", politisches Theater sicherlich, aber nicht als mögliche Anweisung zum Handeln. Das Publikum muss die Bedeutung des Gesehenen oder Erlebten schon selbst bestimmen, da hilft ihm keiner; es soll die Stücke sehen und nicht auf Erklärungen warten, denn dieses Warten behindert die Wahrnehmung. Sagerer erfand das "unmittelbare Theater". Und unmittelbar heißt, es verfolgt keinen anderen Zweck, als zu passieren. Es ist wie bei einer Berührung, die keine Absicht hat. Und deshalb fantastisch sein kann. Nicht pädagogisch, nicht didaktisch, aber eben fantastisch.
 
Und natürlich voller Spleens. Zahlen zum Beispiel sind immer wichtig, verschrobene Zahlenverhältnisse, die den Ablauf, der schon mal ein paar Stunden dauern kann, strukturieren. Oder, während einer Aufführung im Ampere der Muffathalle, eine Live-Schaltung in Oppe’s Bistro im oberpfälzischen Floß zu sechs Trinkern, die etwas von ihrem Treiben verstehen, aus ihrer heiligen Andacht erwachen, die Jukebox entdecken und "Guardian Angel" singen.
 
Sagerers eigenes Postulat der Unabhängigkeit kostete ihn die Förderung, obwohl er eigentlich ein Denkmal vor dem Kulturreferat verdient hätte, bei aller Widersprüchlichkeit seiner Person und seines Handelns. Immer postulierte er das Außen – schon mit dem Begriff freie Szene kann Sagerer nichts anfangen. Er ist das freie Radikal. Und jetzt ist er 80. Kein Alter für einen aus Plattling.
 
EGBERT THOLL
 

Erste Bierrede zur Kunst


Theaterfilm - U-Matic-Highband - Farbe/Ton - 00:06:31 Std. - proT 10. November 1979
 

 

 
Erste Bierrede zur Kunst ist ein Ausschnitt aus der TheaterDoku Der Tieger von Äschnapur Eins oder Ich bin die letzte Prinzessin aus Niederbayern vom 10. November 1979, Isabellastr. 40, München. Der Ausschnitt ist ein Triptychon mit Rübenlandler - Erste Bierrede - Reine Musik. Cornelie Müller (Die Maharani), Agathe Taffertshofer (Die bezaubernde Prinzessin) und Alexeij Sagerer (Der dauernde Tiegerjäger). Kamera Theaterfilm: Fips Fischer. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 
Sex, Kunst und Guter Geschmack!

Königinnen Gespräch


DokuMaterial - Video8 - Farbe/Ton - 00:06:53 Std. - Produktion proT - 1992
 

 

 
Das DokuMaterial Königinnen Gespräch ist die ungeschnittene und unbearbeitete Videoaufzeichung des dritten Teils (Synchronisator "Sieben deutsche Ströme" - Die Weser) der Aufführung des Theaterprojekts Göttin, Ärztin, Braut und Ziege - Nibelungen & Deutschland Projekt (II-1) am 06. Dezember 1992 in der proT-ZEIT, München, Steinseestrasse 2. Mit Agathe Taffertshofer (Die Brunhilde), Ruth Geiersberger (Die Kriemhilde), Kamera: Werner Prökel. Ein Projekt von Alexeij Sagerer.
 
SZ vom 4. 12. 1992:
FURIEN VOR FLUSSLANDSCHAFT
Großdeutschkunst: Sagerers "Nibelungenströme"

(...) Sagerers Auseinandersetzung mit der Nibelungensage zeigt diesmal, im dritten Teil (der in der proT-Chronologie gleichwohl der zweite ist), den Kampf der zürnenden Frauen. Ruth Geiersberger im hautengen Mini-Glitzerkleid ist Kriemhilde, Agathe Taffertshofer, den weißen, mächtigen Walkürenleib mit einem grünen Fummel nur notdürftig bedeckend, spielt ihre Gegenspielerin Brunhilde. Es ist zunächst ein Kampf mit gefährlich dröhnenden Worten. "Ich bin eine deutsche Frau und mit einem deutschen Mann verheiratet", hört man da, und bald darauf: "Mein Mann hatte zweimal hintereinander einen nationalen Traum."
Wo, bitte, befinden wir uns? "In der Geschichte der Nibelungen", so verkündet der Programm-Faltkarton, "auf jeden Fall vor Siegfrieds Tod und nach Siegfrieds Wald- und Drachenkämpfen". Außerdem "mitten in familiären und gesellschaftlichen Verwicklungen, also mitten in Deutschland." (...)
Wolfgang Höbel
 

Mein Trost ist fürchterlich - Dankesrede


DokuMaterial - Video8 - Farbe/Ton - 00:08:05 Std. - proT - Mai/Juni 1993
 

 

 
Das DokuMaterial Mein Trost ist fürchterlich - Dankesrede ist der zweite Teil (Synchronisator: Die Ems) des Theaterprojekts Mein Trost ist fürchterlich - Nibelungen & Deutschland Projekt (II-3) von Alexeij Sagerer. Das DokuMaterial ist eine ungeschnittene und unbearbeitete Videoaufzeichung, (Kamera: Werner Prökel. Ton: Kamera-Mikrofon) einer Aufführung vom Mai / Juni 1993 in der proT-ZEIT, München, Steinseestrasse 2. Mit Matthias Hirth, Zoro Babel und Alexeij Sagerer. Text: Alexeij Sagerer. Sprecher: Matthias Hirth.
 
 
MÜNCHNER MERKUR vom 14.5.1993
TROST

Ein Bad in neo-surrealen Bildern, eine kräftige, wohltuende Massage für leicht angekalkte Sinneswahrnehmungen. Ein herrlich "unmittelbares" Fest, bei dem man, glückverloren, fast vergißt, daß es Theater sein soll...
Im tosenden Walkürenritt geht's mitten hinein in die deutsche (zweigeteilte?) Landschaft. In der Mitte vom proT ein hölzerner Brückenübergang, über den von Ost nach West (?) drei riesige Braunbären tappen - immer dem Bienensummen nach. Hier auch die Videoschirme, über die chemiebunt Rhein, Trave, Elbe, Ems, etcetera fließen. Und: wotanisch blond gewellt Matthias Hirth, als grandioser Dankesrede-Schwätzer.
(...) Die brausenden Klangströme potenzieren sich, dringen durchs proT-Gestühl in den eigenen Kreislauf. Der ganze Saal schwingt, bebt und brüllt. Dann black-out, Stille und Brünhildes einsame Klage. Ein Ganzkörper-Erlebnis mit Sauna Effekt. Danach völlige Freiheit - auch im Kopf.
Malve Gradinger
 
 
 

Präsentation


 

Werbefilme für Unmittelbares Theater im Kino (und Internet)

 
 
Das Zusammenspiel zwischen Unmittelbarem Theater und filmischer Intensität macht die Werbefilme (eigenständige filmische Kompositionen) möglich und macht den Weg frei für die Vorstellung eines Unmittelbaren Filmes, der im selben Moment und im selben Vorgang wie Unmittelbares Theater entsteht.
 
Dabei entstehen zwei Kinofilme. Werbefilm für Tieger wird 1978 gedreht und die folgenden Jahre in Münchner Kinos (z.B. den Leopoldkinos, dem Marmorhaus, dem ABC-Kino und dem Isabellakino) als Werbefilm gezeigt. proT-Tip Werbefilm wird 1980 gedreht und in den folgenden Jahren ebenfalls in Münchner Kinos gezeigt.
 
Die Werbefilme sind keine abgefilmten oder nachgestellten Theaterbewegungen, sondern Bewegungen nur in und für Filmbilder. Der Film wirbt dabei sehr wohl für Theaterproduktionen, aber in Bildern und Bewegungen, die in Film gedacht sind und er stellt dabei gleichzeitig die Frage nach der Unmittelbarkeit von Werbefilm.
 
Die Werbefilme sind Kino. Das heisst, sie denken sich in 35 mm von Einstellung zu Einstellung, projiziert in einem dunklen Raum auf eine Leinwand.
 
Mit der neuen Präsentationsmöglichkeit "Internet" entstehen 2009 bzw. 2011 "Werbefilme" für Theaterproduktionen, die auf DV-SD gedreht werden. Diese "Werbefilme" sind Film-Comics und Film-Ereignisse, besitzen deren Lebendigkeit und werden von uns als Vorfilme bezeichnet.
 
proT auf Youtube - über 1.600 Views

Werbefilm für Tieger


Kinofilm - 35 mm - Farbe/Ton - 00:01:30 Std. - Produktion proT - 1978
 

 

 
Der Kinofilm Werbefilm für Tieger wird 1978 und die folgenden Jahre in Münchner Kinos als Werbefilm gezeigt. Für die Theaterproduktionen "Der Tieger von Äschnapur Eins oder Ich bin die letzte Prinzessin aus Niederbayern", "Der Tieger von Äschnapur Zwei oder Ich bin das einzige Opfer eines Massenmordes" und "Der Tieger von Äschnapur Drei oder Ich bin imbrünstig mein Alexeij Sagerer". Mit Jürgen von Hündeberg, Cornelie Müller, Agathe Taffertshofer, Billie Zöckler und Alexeij Sagerer. Kamera: Sepp Heyne. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 
 
Aufführungen (Auswahl)
 
1978 und die folgenden Jahre
als Werbefilm in Münchner Kinos (z.B. den Leopoldkinos, dem Marmorhaus, dem ABC-Kino und dem Isabellakino)
13. Februar 1983
im Filmmuseum München in der Reihe "Filme von Alexeij Sagerer"
14. + 15. April 1984
in der Künstlerwerkstatt Lothringer Straße 13, München, in der Videoausstellung "Der Fernseher ist der Gipfel der Guckkastenbühne" von Alexeij Sagerer
08. Oktober 2017
im Rahmen von "UNDERDOX - 12. internationales filmfestival - dokument und experiment" München, als Teil des Programms "lost and & found - Alexeij Sagerer"
 

proT-Tip Werbefilm


Kinofilm - 35 mm - Farbe/Ton - 00:01:32 Std. - Produktion proT - 1980
 

 

 
Der Film-Comics proT-Tip Werbefilm wird 1980 und die folgenden Jahre in Münchner Kinos als Werbefilm gezeigt. Der "Der Tieger von Äschnapur" befindet sich 1980 mitten in den Vorwürfen auf Unendlich; also vor allem bei den Produktionen "Münchner Volkstheater" und "Zahltag der Angst". proT-Tip Werbefilm ist in einer Einstellung gedreht; in gewisser Weise wie ein Film-Ereignis. Eine Zoomfahrt verengt am Ende die Bildkomposition auf die Lederhose. Akkordeon: Cornelie Müller. Sprecher und Gesang: Alexeij Sagerer. Kamera: Sepp Heyne. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 
 
Aufführungen (Auswahl)
 
1980 und die folgenden Jahre
als Werbefilm in Münchner Kinos (z.B. den Leopoldkinos, dem Marmorhaus, dem ABC-Kino und dem Isabellakino)
13. Februar 1983
im Filmmuseum München in der Reihe "Filme von Alexeij Sagerer"
14. + 15. April 1984
in der Künstlerwerkstatt Lothringer Straße 13, München, in der Videoausstellung "Der Fernseher ist der Gipfel der Guckkastenbühne" von Alexeij Sagerer
 
 


 
04. Januar 1979, MÜNCHNER KULTURBERICHTE
 

Wirben fürs Theater


Wie Alexeij Sagerer auf sein proT aufmerksam macht


 
Wer zum Sagerer ins Theater kommt, ist nie sicher, ob er ins Kino geht. Einmal hat der proT-Prinzipal eine Vorliebe für Leinwandträume; solche kommen in seinen Theaterstücken oder Prozessionsszenarien mehr oder weniger immer vor, und sei es nur in der Form, dass im Zeitraffer einen ganzen Tag lang zum Bauernhausfenster hinausgeblickt wird (in "Der Tieger von Äschnapur Zwei oder Ich bin das einzige Opfer eines Massenmordes"). Zum anderen rationalisiert er wahrscheinlich gerne: da das proT-ensemble recht klein (zur Zeit wohl nur vier Leute) und die Theaterkunst eine flüchtige Kunst ist, bannt er seine realistisch phantastischen Theateraktionen auf Zelluloid, projiziert sie ins dunkle Keller-"Kino", im Wechsel mit den Live-Vorstellungen.
 
Sagerer macht (mit seinen guten weiblichen Geistern an der Seite) eigentlich alles selbst: er schreibt, inszeniert, spielt, musiziert und führt dann, wenn man keine "Vorstellung" gibt, auch selbst den "Stellvertreter"-Film im proT-Keller vor. Mit dieser radikalen Selbstbeschränkung hat er es dem Publikum lange recht schwer gemacht, sich auf seine so bayerisch hinterhältige, so radikal-realistische, wortakrobatische, endlos komische, weil über den Anfang nie hinauskommende Kunst einzulassen. Seit Jahren spielt er, der bestimmt zu den gewichtigsten freien Theatermachern Münchens gehört, eigentlich völlig unter Wert geachtet in seinem völlig schwarzen proT-Aktionsraum in der Isabellastraße. Sein Stammpublikum – und das hat er schon lange – und die paar sporadisch Neugierigen waren ihm genug: er will ja nicht das beifällige Missverständnis; er sucht eher das Einverständnis der "Gemeinde" – schon dies eine schwierige Aufgabe, wenn man auf so vertrackt komische, auch manchmal lähmend alles in eins fassende und immer wieder sprengende Weise das Altgewohnte durcheinanderschüttelt. Sagerer ist schließlich kein "Spinner", sondern fast schon ein Zuende-Denker und -Spieler; er wiederholt sich nicht gerne, er will "weiterkommen", auch ohne "Erfolg". Und deshalb das Theater-Kino oder das Kino-Theater!
 
Weil sich besser arbeiten lässt, wenn man einem vollen Zuschauerraum seine Produkte zur Prüfung aussetzt, hat nun Sagerer den Schritt ins Kino getan: Er wirbt mit einem "Wirbefilm", wie er zwischen Zigarettenreklame und den Vorbereitungen auf die paar folgenden schönen Stunden als sein Leinwandstar mitteilt, nach dem Motto "erwirb Hund oder stirb" und in der Kenntnis, dass die "Wirbewirksamkeit dieses Wirbefilms teuer bezahlt ist". Und er hat, so scheint es, für seinen Kurzfilm auch den nötigen Grad an Wirksamkeit gefunden, der über den Gag der Paar-Minuten-Show hinausreicht und neue Zuschauer in sein Theaterchen treibt – das proT ist "voll". Zeit für Sagerer, sich Gedanken zu machen, ob es für seine Arbeit nicht günstig wäre, einmal größeren Dimensionen ausgesetzt zu werden.
 
Kaum vorstellbar übrigens, wenn die großen Theater nun auch diesen Weg der Werbung einschlügen, um ihre bei "Modernen" ja manchmal recht ansehnliche Zahl von Restplätzen aufzufüllen. Oder wenn die Kinos in den Theatern zu "wirben" begännen... es überall wirbelt und werbelt.
 
THOMAS THIERINGER
 

Vorfilm für Voressen


Film-Comics - DV-SD - Farbe/Ton - 00:07:28 Std. - Produktion proT - 2009
 

 

 
Der Film-Comics Vorfilm für Voressen ist der Vorfilm für das Film- und Theaterprojekt Voressen (Produktion proT, 2009). Frau in Weiss füttert Mann im Lendenschurz auf rotem Podest im Grün. Mit Juliet Willi und Johannes Oppenauer. Kamera / Schnitt: Maria Rilz. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 
Weiss füttert - Vorfilm für A.
Film-Comics - DV-SD - Farbe/Ton - 00:03:25 Std. - Produktion proT - 2011
 

 

 
Der Film-Comics Weiss füttert ist der Vorfilm für das Film- und Theaterprojekt AllerweltsMahl (Produktion proT, 2011). Gedreht im Januar 2011 in den Räumen von Import Export, Goethestrasse, München. Mit Juliet Willi und Philipp Kolb. Produktionsassistenz: Anja Uhlig. Kamera / Schnitt: Maria Rilz. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 
 
 

Präsentation
Alexeij Sagerer und Video


 

Film-Ereignisse / Video-Film / Videokompositionen (1980-1989)

 
 
Bevor Alexeij Sagerer beginnt, sich auf Video einzulassen, arbeitet er bereits (seit 1969) mit Film (35 mm, 16 mm, 8 mm), sowohl im Zusammenhang mit Theater (z.B. Tieger von Äschnapur Drei) als auch unabhängig vom Theater (Aumühle, Krimi).
 
proT und Video. Alexeij Sagerer und Vips Vischer beginnen 1979 mit ersten Dreharbeiten auf dem Videoformat U-Matic - damals noch ohne Titel, beziehungsweise unter dem Arbeitstitel "Erstes VideoOpfer für vier Monitore". Dabei entstehen - vom Video her betrachtet - erste Videoinstallationen mit zeitlichem Ablauf. Oder vom Theater her betrachtet: Video öffnet sich gegenüber anderen Handlungen und wird Theater. Beziehungsweise das Theater öffnet sich gegenüber Video als theatralem Element.
 

1978-86
Demonstrations-Zweck-PR-Band


Alexeij Sagerer: Auswahl von Arbeiten mit Video 1978-85, proT 1986 (42:02 Min)
 

 
Das Demonstrations-Zweck-PR-Band wird 1986 als grober Überblick über die Videoarbeiten von Alexeij Sagerer produziert. Es enthält Ausschnitte aus Münchner Volkstheater Einspielband (1980), Zahltag der Angst Theaterdoku (1981), Küssende Fernseher (1983), proT trifft Orff (1985), Konzert auf der Tiegerfarm (1985), Sieben gemalte Filme (1986), den Kinofilm Werbefilm für Tieger (1978) und den Film-Comics Subversives Repräsentationstheater (1984). Das Demonstrations-Zweck-PR-Band wird von Alexeij Sagerer mit Text und Titeln auf U-Matic Highband produziert. Videotechnik: Fips Fischer. Sprecherin: Sonja Breuer. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 

 
DEMONSTRATIONS-ZWECK-PR-BAND (1986)
Dies könnte das erste verendlichte Video von Alexeij Sagerer werden und zwar dann, wenn es ihm und ihm nicht gelingt, das Ghetto eines Demonstrations-Zweck-PR-Bandes zu verlassen. Ein Demonstrations-Zweck-PR-Band simuliert die Möglichkeit Video und opfert sie dabei seiner Beschränktheit. Es ist zwar als Demonstrations-Zweck-PR-Band unmittelbar, was aber nur bedeutet, dass es als Videograb unmittelbar ist, sonst weiss es nichts oder versucht nichts zu wissen, was ihm aber nichts hilft, weil es trotzdem im Tieger Unendlich schwimmt. Da es aber ahnt, dass es in der Wirklichkeit schwimmt, versucht es - also seine Produzenten - normalerweise den Feind Wirklichkeit mit Realitäten zu bekämpfen. Ein Demonstrations-Zweck-PR-Band kann seiner Verendlichung nur entgehen, wenn es sich dabei gleichzeitig als Demonstrations-Zweck-PR-Band in Frage stellt und auflöst und dadurch überschreitet.
Video ist nur ein Beispiel, wie mit Leben, Bewegung, Geheimnissen, Menschen, Steinen, Sprache, Tieren, Handlungen, Gedanken, Musik usw. hier umgegangen wird.
Es folgt ein Werbefilm, dem es möglicherweise gelungen ist, seiner Verendlichung als Werbefilm zu entgehen und gleichzeitig ein Werbefilm zu sein.
 

Film-Ereignisse werden Teil von theatralen Abläufen

 
 
Film-Ereignisse sind theatrale Ereignisse in theatralen Kompositionen. Film als unmittelbares Element des theatralen künstlerischen Prozesses. Dies bedeutet, die Film-Ereignisse sind Teil eines künstlerischen Prozesses, der 25 Jahre später Programm Weiss und den Unmittelbaren Film produzieren wird.
 
Unter der Qualität Film-Ereignisse verstehen wir vor allem Videofilm und Videokompositionen, also einmalige künstlerische Aktionen, von Personen oder Dingen, die vor Kamera öffentlich gemacht werden, um dann in komplexen Aktionen, aber auch als eigenständige Filme gezeigt zu werden. Film-Ereignisse können auch live-Übertragungen von verschiedenen Orten innerhalb eines theatralen Ablaufes sein, wobei sie nicht unbedingt aufgezeichnet werden müssen. Sie sind vor allem durch die Video-Technik möglich geworden. Aber auch einige 8mm-Arbeiten berühren bereits die Qualität Film-Ereignisse. Eine entscheidende Rolle spielen sie bei den Produktionen "Münchner Volkstheater" (1980) und "Zahltag der Angst" (1981). Beispiele dafür sind die "asymmetrischen Interviews" oder der "Der Beginn einer geisterhaften Theatertheorie" bei "Münchner Volkstheater" und die live-Übertragungen von Raum A in Raum B bei "Zahltag der Angst". Film-Ereignisse gibt es bis zum Ende der "Konzerte auf der Tiegerfarm" (1998). Aber auch im "Nibelungen & Deutschlandprojekt" lassen sich noch Spuren finden. Wir bewegen uns an einem Bereich, der unter Umständen auch Videokunst genannt wird. Die Film-Ereignisse haben etwas "flüchtiges" an sich.
 
 

z.B. Münchner Volkstheater (1980)

 
 
Handlung mit zwei Personen und mindestens einem Videomonitor (möglichst vier). Der Mann: Erhard Sonnengruber. Die Frau: Agathe Taffertshofer. Videotechnik: Vips Vischer. Zum ersten Mal wird Video zum Material für Theater im proT. Der Fernseher - Gegenstand und Bildträger - als theatrale Qualität. Während der gesamten Aufführung läuft ein vorproduziertes Videoband und bestimmt die Bewegungen der beiden Personen. Während das Video permanent sichtbar ist, bewegen sich der Mann und die Frau durch verschiedene Räume. Sie verlieren dabei jedoch nicht ihre Präsenz, auch wenn sie nicht sichtbar sind.
 

 
 
Helmut Schödel. DIE ZEIT, 30. Mai 1980
 
 

Blick voraus ins Nichts.


Schauspiel in München: Großes Theater an kleinen Theatern
 
[…] Ein Mann, der schulterlange blonde Haare hat, liegt mit nacktem Oberkörper neben einer Reporterin, wie ein römischer Kaiser bei einem Gastmahl. Die Reporterin: "Alexeij, du willst einen Film machen?" Alexeij Sagerer, Chef und Hauptdarsteller im Schwabinger Kellertheater proT, legt sich eine handvoll Tierhirn auf seinen Kopf und stottert "An sich will ich an sich keinen Film machen an sich." Die Reporterin hartnäckig: "Einen utopischen Film?" Alexeij resigniert: "Einen utopischen Film will ich an sich machen." Er sagt, an sich habe er die Frage erwartet, und reibt sich frisches Hirn auf den Kopf: "Ich habe mich vorbereitet."
 
Starker Alexeij: Der Auftritt gehört zu einer Video-Szene in Sagerers neuester Produktion "Ein Münchner Volkstheater", Untertitel: "Vorwurf auf den Tieger von Äschnapur Unendlich." Kaputter Alexeij: In derselben Szene greift sich Sagerer an seinen Oberkörper und stottert, in einem Zustand zwischen Trauer und Panik: "das ist Wahnsinn! A-a-alles schwabblig, a-a-alles kaputt." […]
 
Alexeij Sagerer erzählt in einer langen Video-Szene am Ende seines Projekts, was dieses Aussteigen im schlimmsten Fall auch bedeuten kann. Sagerer entwirft stehend, liegend, während eines katastrophalen Step-Tanzes, eine "geisterhafte Theater-Theorie". Über dem Abgrund schweben, heißt es darin, könne man eigentlich nur über dem Theater. Am Schluß kommt ihm die "Idee von einem ganz sanften Stück": Alexeij will sich die Pulsadern öffnen. […]
 
Alexeijs Träume sind dieselben, seine Möglichkeiten nicht. Für sein "Münchner Volkstheater" hat er sich in sein Videogerät zurückgezogen. Vom Bildschirm aus, der auf einem hohen Metallregal steht, gibt es seinen Volksschauspielern die Regieanweisungen zur Zerstörung der folkloristischen Klischees. Er sagt: "Der Mann kommt einfach bei der Bürotür heraus und spielt den Mann. Er geht hinüber zum weißen Schalter und schaltet ihn ein. Worauf ein Röslein in der Birne erglüht." Aus Sagerers Bürotür tritt in den Theaterkeller der stämmige Erhard Sonnengruber. Er trägt einen roten Trachtenjanker, hält einen Holzknüppel in der Hand und eine brennende Kerze. Er sucht den Schalter und knipst ihn an. Ein Röslein erglüht.
 
Alexeij beginnt in seinem Videokasten zu wüten. Er bläst nervenzerfetzend auf der Posaune. Er erteilt weiterhin Anweisungen. Er redet ziemlich unverständlich und endlos lang mit Erhard Sonnengruber über dessen Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt. "Wäre ich bloß nie aus Plattling weggegangen", sagt er und: "Was uns bleibt, ist ein Vorwurf, und zwar mit abgehackter Wurfhand."
 
Sagerers Volkstheater ist Sagerers Endspiel. Der Kampf im proT: Wütend kämpft Alexeij um seine Kindlichkeit und darum, daß er in seinem Theaterkeller nicht immer übersehen wird. […]
 
HELMUT SCHÖDEL
 
 

1981 - Videoinstallationen Münchner Künstler


Vom 23.-25. Oktober 1981 ist Münchner Volkstheater Teil der Ausstellung "Videoinstallationen Münchner Künstler" in der Lothringer Straße 13.
Vorbemerkung von Elmar Zorn im Katalog "Videoinstallationen Münchner Künstler":
 
Anläßlich des Symposiums "Europäische Videotheken", das vom 23.10. bis 25.10. im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Vor-Film" des Kulturreferates gemeinsam mit der Städt. Galerie im Lenbachhaus stattfand und der erste Schritt zu einer verstärkten Präsentatierung der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums Video in München war, wurden als Begleitveranstaltung die wichtigsten Münchner Künstler, die mit Video umgehen, eingeladen, in den Künstlerwerkstätten Lothringer Straße Video-Installationen zu erstellen und Performances mit Video zu machen.
Daß als Ergebnis dieses Angebotes die vorhandenen Räume der Fabrik so exemplarisch in die raumgreifenden und raumwirksamen Dimensionen der Installationen eingepaßt wurden, ist der spontanen und äußerst flexiblen Bereitschaft der Künstler zu gemeinsamen Planungen zu verdanken. Mit relativ geringen Mitteln des Veranstalters entstanden intellektuell und artistisch anspruchsvolle Arbeiten, die der interessierten Münchner Öffentlichkeit und den anwesenden Gästen des Symposiums einen so hohen Maßstab von Qualität vorführten, daß sie Fortsetzungsveranstaltungen dieser Art legitimiert, ja herausgefordert haben.
 

 

MÜNCHNER VOLKSTHEATER
Einspielband


Farbe, Ton, 60 Min, U-Matic

Das auf dem Videoband MÜNCHNER VOLKSTHEATER bestehende Videotheater wird bei den Aufführungen mit den beiden Personen selbst zur Theaterhandlung (Videoinstallation mit zeitlichem Ablauf).
 
 

Auszüge auf Youtube

 
 

Volksschauspielerinterview


Film-Ereignisse - U-Matic Highband - Farbe/Ton - 00:10:17 Std. - Prod. proT - 1980
 

 

 
Die Film-Ereignisse Volkstheaterinterview: Alexeij Sagerer interviewt die Münchner Volksschauspieler Agathe Taffertshofer und Erhard Sonnengruber. Das asymmetrische Interview entsteht bei der Produktion des Einspielbandes für Münchner Volkstheater. Bei der Theaterproduktion Münchner Volkstheater arbeitet das proT zum erstenmal mit Video als Theaterelement. Das dabei entstehende Einspielband steuert die live-Aktionen der Akteure Agathe Taffertshofer und Erhard Sonnengruber und den theatralen Ablauf. Die Film-Ereignisse werden mit einer professionellen Kamera auf Stativ in festen Einstellungen mit Originalton gedreht. Kamera: Fips Fischer. Ausgekoppelt aus "Münchner Volkstheater Einspielband". Ein Film von Alexeij Sagerer.
 
 

Der Mann und Die Frau. Video-Regie-Theater


Film-Ereignisse - U-Matic Highband - Farbe/Ton - 00:10:44 Std. - Prod. proT - 1980
 

 

 
Die Film-Ereignisse Der Mann und Die Frau. Video-Regie-Theater.. Die Theaterregierolle wird abgewickelt und die Kamera filmt. Gleichzeitig spricht Alexeij Sagerer die Anweisungen auf der Theaterregierolle. Der Mann (Erhard Sonnengruber) und Die Frau (Agathe Taffertshofer) befolgen die Anweisungen und handeln danach. Theater ist Handlung, nicht Story, auch wenn es dauernd verwechselt wird. Die Film-Ereignisse zeigen die sich abwickelnde Theaterregierolle, dazu hört man die Stimme, die die Anweisungen vertont. Kamera: Fips Fischer. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 
 

Endlich Ostersonntag


Film-Ereignisse - U-Matic Highband - Farbe/Ton - 00:14:04 Std. - Prod. proT - 1980
 

 

 
Das Film-Ereignis Endlich Ostersonntag ist ungeschnitten und gedreht für die Theaterproduktion Münchner Volkstheater, bei der die Videos den theatralen Ablauf steuern. Gefilmt mit einer professionellen Kamera auf Stativ mit Originalton. Endlich Ostersonntag ist ein asymmetrisches Interview mit Brigitte Niklas und Alexeij Sagerer. Kamera: Fips Fischer. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 
 

Fernsehbilder


Film-Ereignisse - U-Matic Highband - Farbe/Ton - 00:04:47 Std. - proT - 1983/2019
 

 

 
Die Film-Ereignisse Fernsehbilder ist eine Komposition aus bemalten, implodierenden, brennenden Fernsehern gefilmt auf weitem Feld mit einer professionellen Kamera auf Stativ in festen Einstellungen mit Originalton. Die einzelnen Film-Ereignisse sind 1980 gedreht für Münchner Volkstheater Einspielband. Die Komposition Fernsehbilder wird 1983 für das Festival "Videoart Locarno" geschnitten und hat dort am 02. August 1983 Premiere. Da die Fassung von 1983 technische Schwierigkeiten hat, werden die Film-Ereignisse Fernsehbilder 2019 aus dem bestehenden Material neu hergestellt. In dieser Fassung sind sie hier zu sehen. Kamera: Fips Fischer. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 

Das Kreuz in der Röth


Film-Ereignisse - U-Matic Highband - Farbe/Ton - 00:06:32 Std. - Prod. proT - 1980
 

 
Die Film-Ereignisse Das Kreuz in der Röth wird in einzelnen Einstellungen für die Theaterproduktion Münchner Volkstheater mit einer professionellen Kamera auf Stativ gedreht und anschliessend geschnitten. Der Ton wird live aufgenommen. Der Gute: Jürgen von Hündeberg. Der Böse: Erhard Sonnengruber. Der Mensch: Agathe Taffertshofer. Sprecher: Alexeij Sagerer. Kamera: Fips Fischer. Ausgekoppelt aus "Münchner Volkstheater Einspielband". Ein Film von Alexeij Sagerer.
 

Honeying - Münchner Volkstheater


1980, gefilmt auf U-Matic (YouTube 0:39 Minuten)
 

 
Honeying - Münchner Volkstheater ist ein Ausschnitt aus dem Video für die Theaterproduktion "Münchner Volkstheater" (erste Aufführung 17. Mai 1980, proT, München, Isabellastr. 40), ein Vorwurf auf den Tieger von Äschnapur Unendlich. "Münchner Volkstheater" ist die erste Theaterarbeit mit Video von Alexeij Sagerer, wobei ein vorproduziertes Videoband die theatralen Abläufe steuert, praktisch das Video die Regie übernimmt. Mit Alexeij Sagerer, Kamera: Fips Fischer.
 

Musikfilm Video


Film-Ereignisse - U-Matic Highband - Farbe/Ton - 00:05:43 Std. - Prod. proT - 1980
 

 
Die Film-Ereignisse Musikfilm Video führt mit dem Medium Video den Super 8 Film Musikfilm Super 8 weiter. Das bedeutet zum Beispiel, dass die einzelnen Teile des Films länger gedreht und später zusammengeschnitten werden. Wie der "Musikfilm Super 8" ist er im proT Foyer gedreht und beide Musiker tragen die Tiegerjäger-Uniform. Beide Filme stehen im Übergang von Super 8 zu Video. Kontrabass: Jürgen von Hündeberg. Posaune: Alexeij Sagerer. Kamera: Fips Fischer. Ausgekoppelt aus "Münchner Volkstheater Einspielband". Ein Film von Alexeij Sagerer.
 

Münchner Volkstheater Einspielband


Film-Ereignisse - U-Matic Highband - Farbe/Ton - 00:59:56 Std. - Produktion proT - 1980
 

 
Die Film-Ereignisse Münchner Volkstheater Einspielband ist ein Video, das die Theaterproduktion Münchner Volkstheater - Vorwurf auf den "Tieger von Äschnapur Unendlich". Handlungszeit Karfreitag null Uhr bis Ostersonntag - steuert. Das heisst, das Einspielband ist während des ganzen theatralen Ablaufes präsent: 1. Das Kreuz in der Röth - 2. Der Mann und die Frau. Video-Regie-Theater - 3. Titelperiode - 4. Volksschauspielerinterview - 5. Fernsehbilder 1. Teil - 6. Musikfilm Video - 7. Fernsehbilder 2. Teil - 8. Honeying Münchner Volkstheater - 9. Fernsehbilder 3. Teil - 10. Endlich Ostersonntag. Mit Jürgen von Hündeberg, Erhard Sonnengruber, Agathe Taffertshofer, Sophia Pherachthis Mariä Sagerer, Brigitte Niklas, Alexeij Sagerer. Videotechnik: Vips Fischer. Münchner Volkstheater ist die erste Theaterarbeit mit Video im proT. Münchner Volkstheater Einspielband wird hier unabhängig von der Theaterproduktion als eigenständiges Film-Ereignis präsentiert. Ein Film von Alexeij Sagerer.
 

Münchner Volkstheater


Vorwurf auf den Tieger von Äschnapur Unendlich
UA proT, 17. Mai 1980
 
 
 
 
 
 
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Inzwischen über 170.000 Views angeführt von den 4 FAVORITES mit je über 10.000 Aufrufen: Tanz in die Lederhose: 25.854 Views, Vorfilm für Voressen: 17.415 Views, Frau in Rot: 14.799 Views und Ottfried Fischer hustet Alexeij Sagerer: 10.192 Views. (Stand 04.02.2025) und siehe auch Rote Wärmflasche tanzt auf Platz 5 mit überraschenden 8189 Aufrufen, Maiandacht mit 7810 Views, Erste Bierrede zur Kunst mit 5287 Views ...
 
 

Werkverzeichnis I


Alexeij Sagerer, proT  —  Produktionen
 
 

Werkverzeichnis II


Alexeij Sagerer, proT  —  Festivals, Ausstellungen, Screenings, Beteiligungen, Auszeichnungen, öffentliche Ankäufe (Auswahl)
 
 

Werkverzeichnis V


über Alexeij Sagerer, proT  —  Literatur und Presse (Auswahl)
 
 

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ab 1969 bis jetzt
 
 

THEATERDOKUMENTATIONEN


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